Share This Post

Featured / Main Slider / News

Die Menschen werden immer dümmer

Die Menschen werden immer dümmer
Spread the love

Vor Tausenden von Jahren, als unsere Vorfahren als Jäger und Sammler lebten, bot eine hohe Intelligenz einen klaren Selektionsvorteil. Das tägliche Überleben hing maßgeblich von der Werkzeugnutzung, der Jagdstrategie und der Anpassung an klimatische Veränderungen ab. Individuen mit niedrigem IQ überlebten häufig nicht lange genug, um Nachwuchs zu zeugen. Mit der stetig steigenden Intelligenz ging ein Wachstum des Gehirns einher. Dies führte wiederum zu Problemen bei der Entbindung. Frauen waren zur optimalen Fortbewegung auf ein schmales Becken angewiesen, demnach musste die Geburt fortan in früheren kindlichen Entwicklungsstadien erfolgen. Die zeitintensive Pflege der Säuglinge zwang die nomadischen Völker zur Sesshaftigkeit und zur Etablierung der Landwirtschaft. Mit dem Ackerbau verbesserten sich die Lebensbedingungen. Der hohe Selektionsdruck auf einzelne Individuen verschwand, weniger Intelligente hatten plötzlich ähnliche Fortpflanzungsmöglichkeiten. Genetische Mutationen, die einen niedrigeren IQ zur Folge hatten, konnten sich ungehindert ausbreiten. Die Menschen wurden immer dümmer.

So lautet die etwas irritierende Theorie des US- amerikanischen Zellbiologen Gerald Crabtree. Da er selbst keine Studien durchführte, sondern lediglich gängige Erkenntnisse der Genforschung interpretierte, sollte man seinen Thesen wohl keine allzu große Bedeutung beimessen. Der Ansatz hingegen ist faszinierend. Kann es wirklich sein, dass die Menschen immer dümmer werden, weil der Selektionsdruck fehlt?

Intelligenz

Über kaum eine Definition wird so kontrovers diskutiert. Grundsätzlich versteht man darunter die kognitive Leistungsfähigkeit. Doch was genau macht uns leistungsfähig? Kreativität? Logisches Denken? Sprachliche Versiertheit? Und wie lässt sich das Ganze quantifizieren?

Der Einfachheit halber orientiere ich mich im weiteren Verlauf am gängigsten Quantifizierungsansatz, dem Intelligenzquotienten. Bei diesem Test werden in verschiedenen Kategorien Fähigkeiten wie Sprachverständnis, Bearbeitungsgeschwindigkeit, räumliches Denken oder Merkfähigkeit geprüft. Den Ergebnissen wird anschließend eine Punktzahl zugeordnet, die die Abweichung der Intelligenz vom Mittelwert 100 repräsentiert. Die IQ Kurve ist normalverteilt und hat eine Standardabweichung von 15. Etwa 70 % der Bevölkerung hat einen IQ zwischen 85 und 115, Punkte unter 70 (geistige Behinderung) oder über 130 (Hochbegabung) kommen nur bei je 2% vor.

Der Flynn-Effekt

Entgegen Crabtrees konfusen Spekulationen konnte der Politologe James Flynn einen stetigen Anstieg des IQs seit Beginn der Aufzeichnung dokumentieren. Dieser Zuwachs war zwar weder linear noch in allen Regionen gleich stark ausgeprägt, allerdings betrug er in Industrienationen durchschnittlich immerhin 0,3 Punkte pro Jahr. Das entspricht 30 IQ Punkten pro Jahrhundert – der Differenz zwischen Durchschnittsintelligenz und Hochbegabung.

 

Die Ursachen hierfür sind weitestgehend ungeklärt. Mögliche Zusammenhänge reichen von besserer Ernährung und medizinischer Versorgung über höhere Bildung bis hin zu geringerer Schadstoffbelastung- etwa durch die Entfernung von Bleirohren aus der Trinkwasserversorgung. Doch der konstante Zuwachs der Intelligenz fand in den 1990ern ein unvermitteltes Ende.

Der Anti-Flynn-Effekt

Bernt Bratsberg und Ole Rogebert stellten 2018 einen deutlichen Abfall des durchschschnittlichen IQs der Norweger fest, Forscher anderer Nationalitäten gelangten in letzter Zeit zu ähnlichen Ergebnissen. Werden die Menschen jetzt wieder dümmer?

Um die Beantwortung dieser Frage ranken sich zahlreiche Mythen. Einige machen die dysgenetische Entwicklung, also die vermehrte Fortpflanzung dümmerer Individuen, verantwortlich, andere die gestiegene Anzahl ungebildeter Einwanderer. Dass diese Theorien zumindest für die Abnahme des IQs nicht verantwortlich sind, lässt sich damit beweisen, dass auch innerhalb von Familien die Intelligenz sinkt. Kinder sind dümmer als ihre Eltern.

Flynn selber begründet dieses Phänomen mit einer gesunkenen Konzentrationsfähigkeit: „Die moderne Welt stellt alle zehn Minuten ein Stimulans bereit, einen Mord im Videospiel etwa. Wie kann man von jungen Leuten noch erwarten, Charles Dickens zu lesen, wenn es manchmal über 400 Seiten

keine Verfolgungsjagd gibt?“ Nur wer sich konzentrieren kann, kann gut lernen. Andere Wissenschaftler kritisieren die Gleichsetzung schlechterer Testergebnisse mit geringerer Intelligenz und hinterfragen die Testmethoden.

Universalgenie oder Spezialist?

Zu behaupten, ein Rückgang der menschlichen Intelligenz läge, übertrieben formuliert, an einem zu geringen Literaturkonsum, kommt mir zu einfach vor. In den letzten Jahrzehnten durchlebte die Menschheit bahnbrechende Veränderungen, die sich maßgeblich auf den Alltag, die Entwicklung und die Arbeitswelt auswirken. Wie könnte dabei die Intelligenz gleichbleiben? Ein Jäger und Sammler würde an den gegenwärtigen Intelligenztests sicherlich auch scheitern. Viele Facetten der Intelligenz, die seit geraumer Zeit an Bedeutung gewinnen, etwa die kreative oder emotionale Intelligenz, sind ebenfalls kaum messbar, obwohl sich deren Werte entgegen dem aktuellen Trend verbessert haben könnten.

Zudem werden unsere kognitiven Fähigkeiten immer spezialisierter – Universalgenies gibt es schon lange nicht mehr. Aber benötigt man überhaupt interdisziplinäre Fertigkeiten, wie der IQ Test sie voraussetzt, um intelligent zu sein? Ein psychologischer Forscher verglich die Thematik mit dem Zehnkampf. Wenn man nur noch Laufen trainiert und in den Laufdisziplinen verhältnismäßig besser wird als die Leistung in weniger trainierten Disziplinen abnimmt, verbessert sich dennoch das Gesamtergebnis. Ab einem gewissen Punkt stagniert der Trainingsfortschritt im Laufen und das Gesamtergebnis wird wieder schlechter. Doch ob wir als Menschheit diesen Punkt der Stagnation erreicht haben oder ob wir einfach nur die Definition der Intelligenz und die Methodik unserer Intelligenztests aktualisieren müssen, wird sich wohl erst in der Zukunft zeigen.

Medizinskandal Alterung

Share This Post

Herzlich Wilkommen auf unsere neue Webseite !

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Translate »
Zur Werkzeugleiste springen