Die Sorge vor einer Eskalation der Ukraine-Krise ist am Freitag noch größer geworden. Zunächst wurden mehrere Websites der ukrainischen Regierung Ziel einer großen Cyberattacke. Später beschuldigten die USA Russland, einen Vorwand für einen Einmarsch in der Ukraine schaffen zu wollen.
„Wir haben Informationen, die darauf hinweisen, dass Russland bereits eine Gruppe von Agenten aufgestellt hat, um einen Einsatz unter falscher Flagge in der Ostukraine auszuführen“, sagte ein US-Regierungsvertreter. Die Agenten seien im Häuserkampf und im Einsatz von Sprengstoff ausgebildet, „um Sabotageakte gegen Russlands eigene Stellvertreterkräfte zu verüben“.
Dadurch solle der Ukraine vorgeworfen werden, einen „unmittelbar bevorstehenden Angriff auf russische Kräfte in der Ostukraine vorzubereiten“. Die USA nannten auch bereits konkrete Zeiten. Diese Aktivitäten seien einige Wochen vor einem militärischen Einmarsch durch die russischen Streitkräfte geplant, der „zwischen Mitte Jänner und Mitte Februar“ starten könnte, so der US-Regierungsvertreter.
Kreml weist Vorwürfe zurück
Dmitri Peskow, Sprecher des Kreml, wies am Freitag diese Berichte als „unbegründete“ Information zurück. Unabhängig davon berichteten ukrainische Medien am Freitag, dass die Behörden glauben, dass russische Spezialdienste einen möglichen Vorfall unter falscher Flagge planen, der als Provokation für einen weiteren Konflikt angesehen werden könnte.
Die neuen US-Geheimdienstinformationen wurden veröffentlicht, nachdem eine Reihe von Gesprächen zwischen Russland und den USA und westlichen Verbündeten in dieser Woche in Europa, die darauf abzielten, die eskalierende Krise abzuwenden, kaum Fortschritte machten.
Drohungen auf Websites
Für Verunsicherung sorgte zudem eine rätselhafte Cyberattacke auf mehrere Websites der ukrainischen Regierung in der Nacht auf Freitag. So konnte etwa die Website des Außenministeriums nicht aufgerufen werden. Dort war vorübergehend eine Botschaft in ukrainischer, russischer und polnischer Sprache zu lesen: „Ukrainer! All eure persönlichen Daten wurden gelöscht und können nicht wiederhergestellt werden. Alle Informationen über euch sind veröffentlicht, habt Angst und rechnet mit dem Schlimmsten!“
Ukraine: Cyberangriffe auf Regierung
In der Nacht auf Freitag hat es mehrere Cyberangriffe auf die Server der Regierung in der Ukraine gegeben.Mehr Videos im ORF.at-Newsroom
In der Nachricht gab es Anspielungen auf historische Konflikte der Ukraine und Grenzstreitigkeiten mit Polen. Auch die Websites des Katastrophenschutzministeriums und des Kabinetts waren nicht erreichbar. Nach Angaben der ukrainischen Geheimdienste wurden bei der Cyberattacke keine persönlichen Daten gestohlen.
Kiew sieht Moskau hinter der Cyberattacke auf Dutzende ukrainische Regierungswebsites. „Die Ermittlungen sind noch im Gange, aber der ukrainische Geheimdienst hat erste Hinweise darauf erhalten, dass Hackergruppen, die mit den russischen Geheimdiensten in Verbindung stehen, hinter dem heutigen massiven Cyberangriff auf Regierungswebseiten stehen könnten“, so der Sprecher des Außenministeriums, Oleg Nikolenko, am Freitagabend auf Twitter.
„EU bereit, sofort zu reagieren“
Die EU verurteilte den Angriff umgehend. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Freitag beim Außenministertreffen im französischen Brest, die EU werde alle Mittel mobilisieren, um Kiew zu unterstützen. Ob Russland hinter dem Angriff stecke, sei noch unklar, sagte Borrell: „Wir haben keine Beweise, aber es ist denkbar.“
USA: Warnung vor russischen Sabotageplänen
Die Ukraine-Krise sei ein zentrales Thema auf dem Treffen der Verteidigungs- und Außenminister der EU in Brest gewesen, so Borrell: „Die EU ist bereit, auf eine mögliche Aggression (Anm. Russlands) sofort zu reagieren. Aber wir ziehen Verhandlungen vor.“ Entsprechend verständigten sich die EU-Außenminister auf einen Zehnpunkteplan für einen einheitlichen Umgang mit Russland. Dabei soll angesichts des russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine auf eine Mischung aus Abschreckung und Dialog gesetzt werden.