Peking gehe es um Kontrolle: Es nutze technische Innovationen für strategische Vorteile, sagt der britische Geheimdienstchef Sir Jeremy Fleming. Der Westen soll dringend reagieren.
In einer programmatischen Rede hat der britische Geheimdienstchef Sir Jeremy Fleming eindringlich vor Chinas zunehmendem Einfluss in der Welt gewarnt. Die Führung in Peking setze technische Dominanz zusehends für politische Zwecke ein, sagte Fleming, Direktor des Government Communications Headquarters (GCHQ), am Dienstagabend im britischen Thinktank Rusi. «Peking nutzt all seine Hebel, um den internationalen Nachkriegskonsens zu Wirtschaft und Technik infrage zu stellen. Und es will die Regeln der internationalen Sicherheit neu schreiben, ( . . .) auf eine Art, wie wir sie nie gesehen haben.»
Technologie werde zum «Schlachtfeld»
Die chinesische Führung arbeite «gezielt und geduldig» an dem «strategischen Vorteil», den sie erhalte, indem sie das «technologische Ökosystem» der Welt forme. Dabei gehe es nicht um Wettbewerb, sondern um Kontrolle – «ihrer Märkte, ihrer Einflusssphären und ihrer eigenen Bürger». Während die Kommunistische Partei die wirtschaftliche Stärke ihres Landes aufgebaut habe, seien gleichzeitig drakonische Sicherheitsgesetze und eine Überwachungskultur eingeführt worden.
Um seinen Einfluss auszubauen, nutze China unter anderem digitale Währungen, Satellitensysteme und verschiedene technologische Produkte. Durch Exporte breiteten sich diese in aller Welt aus. Das alles verändere die Definition von nationaler Sicherheit. Technologie werde zum «Schlachtfeld» im Kampf um Kontrolle, Einfluss und Werte. Der Geheimdienstchef warnte Staaten davor, sich auf prekäre Deals mit China einzulassen, die mit der Übernahme scheinbar günstiger und vorteilhafter Technologie einhergingen.
Störfaktor der internationalen Ordnung
Die «versteckten Kosten» solcher Lösungen kämen langfristig ans Licht: China könne sein technisches Monopol in künftigen Krisen dazu nutzen, auf internationaler Ebene Gefolgschaft einzufordern. Der Westen müsse sich daher stärker bemühen, eigene praktikable und bezahlbare Angebote zur Verfügung zu stellen.
Flemings Rede gibt eine in Geheimdienstkreisen verbreitete Überzeugung wieder: dass der Westen – trotz des aktuellen Konflikts mit Russland – auf die Volksrepublik als Herausforderer und Störfaktor der internationalen Ordnung fokussieren solle. Seinen Niederschlag findet dies unter anderem darin, dass die Nato inzwischen auch China als potenzielle Sicherheitsgefahr ansieht.
«Schlüsselmomente der Geschichte»
Für den Geheimdienst sei es eine wichtige Aufgabe, «Schlüsselmomente der Geschichte» zu erkennen, sagte Fleming: «Gerade fühlt es sich wie einer dieser Momente an.» Chinas Erfolg sei nicht gesichert. Die westlichen Demokratien hätten grosse Vorteile auf ihrer Seite: den Rechtsstaat, starke Institutionen, den Willen zur Zusammenarbeit. Sie müssten nun aber auch «handeln»: indem sie ihre technologische Entwicklung stärken und China gleichzeitig deutlich machen, dass seine Rolle als Störfaktor einen Preis haben werde.
Sir Jeremy warnt nicht zum ersten Mal vor China. Schon im vergangenen Jahr hatte er die wachsende technologische Vorherrschaft des Landes als «direkten Angriff auf die nationale Sicherheit» Grossbritanniens bezeichnet. Der Westen stehe vor einem «Moment der Abrechnung» und müsse einsehen, dass er «die Schlüsseltechnologien von morgen nicht mehr gestalten» werde. Gerade auf dem Gebiet der kritischen Infrastruktur seien die westlichen Staaten möglicherweise uneinholbar zurückgefallen.