In seiner Geschichte wurde China oft von Hungerkatastrophen heimgesucht, die Millionen dahinrafften. Die Quellen berichten von Kannibalismus, der nach einer regelrechten Ordnung vollzogen wurde.
Wenige Jahrhunderte nach der Einigung Chinas (221 v. Chr.) brachte ein Historiker die Legitimation kaiserlicher Herrschaft auf den Punkt: „Für das Volk kommt das Essen dem Himmel gleich.“ Dieser Satz, mit dem heutzutage gern die enge Verbundenheit der Chinesen mit ihrer Küche beschrieben wird, meinte seinerzeit aber etwa anderes: Der Herrscher bewies sein Mandat des Himmels, wenn es ihm gelang, die ausreichende Versorgung seiner Untertanen mit Lebensmitteln zu gewährleisten.
Das war in der mehr als 2000-jährigen Geschichte des chinesischen Kaiserstaates keineswegs die Regel, sondern oft genug die Ausnahme. Allein unter der Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.) wurden mehr als 200 überregionale Hungersnöte gezählt, die durch Dürren, Überschwemmungen, Kälteeinbrüche, Stürme, Erdbeben und Insektenplagen verursacht waren – von der durch Kriege, Unruhen und Profitdenken herbeigeführten Verknappung der Nahrungsmittel ganz zu schweigen, schreibt der Sinologe und Ethnologe Thomas O. Höllmann.
Die überlieferten Rezepte und Gelage spiegeln daher den Lebensstil einer winzigen privilegierten Minderheit, von deren Kochkunst das Gros der Bevölkerung nur träumen konnte. Auf dem Höhepunkt der Ming-Dynastie (1368–1644) kümmerten sich allein 8000 Köche und Helfer um die Speisefolgen des Kaisers. Unter den nachfolgenden Qing summierten sich die monatlichen Ausgaben für die Hofküchen auf mehr als 15.000 Unzen Silber. Zur gleichen Zeit kochten die Armenküchen Pekings 60.000 Portionen für ganze 200 Unzen Silber.
Der krasse Gegensatz zwischen imperialem Aufbruch und sozialen Katastrophen prägte auch die Epoche der Song-Dynastie (960–1279). Unter ihr wurden große Reformvorhaben realisiert, gelang die Etablierung einer leistungsfähigen Bürokratie, entstanden neue Städte, blühte die Wirtschaft, sodass Historiker mit den Song-Kaisern den Anbruch der chinesischen Neuzeit beginnen lassen.
Aber als eine Invasion von Reiternomaden aus dem Norden das Fruchtland verwüstete und Kaiser und Hof in den tiefen Süden fliehen mussten, kamen Hunger und Elend über China. „Ein Scheffel Reis kostete mehrere Zehntausend Münzen, und auch dafür war nichts zu kriegen“, zitiert der Sinologe Kai Vogelsang eine zeitgenössische Quelle. Der Hunger verwies einmal mehr auf die eigentliche Quelle der kulinarischen Kreativität der Chinesen: die Armut.
Während und nach der Invasion der Jin begannen „Räuber und Rebellen, Regierungstruppen und das Volk …, sich gegenseitig zu fressen. Menschenfleisch war billiger als Hunde- und Schweinefleisch: ein schönes, fettes Exemplar kostete nicht mehr als 15.000 Münzen. Man trocknete die Körper im Ganzen und machte Dörrfleisch aus ihnen.“