Den Sanktionen des Westens schließt sich Indien nicht an. Stattdessen kündigt das Land an, verstärkt Waren aus Russland zu kaufen. Den russischen Außenminister freut es. Bei seinem Besuch in Neu-Delhi betont Lawrow die Freundschaft zwischen beiden Ländern.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow war nach seinem Besuch in Indien sichtlich zufrieden. „Wir sind Freunde“, sagte er bei einem Auftritt mit seinem Kollegen Subrahmanyam Jaishankar in Neu-Delhi. Dann fügte er hinzu: „Wir sind bereit, alle Güter zu liefern, die Indien kaufen möchte.“ Nach seiner Visite in China hatte Lawrow in dieser Woche mit Indien ein Land besucht, das bereits zu den größten Abnehmern russischer Rohstoffe gehört. Angesichts der EU-Ankündigung, sich möglichst schnell von den Kohle-, Öl- und Gaslieferungen aus Russland zu verabschieden, sucht Moskau in Asien derzeit gezielt nach Alternativen. Neben Indien hatte auch bereits das G20-Land Indonesien Interesse am Kauf von russischem Öl signalisiert.
Indien – nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde – ist dabei für Russland aber von besonderer Bedeutung. Die größte Demokratie der Welt hat sich den westlichen Sanktionen wegen der russischen Invasion in die Ukraine nicht angeschlossen, sondern fährt einen weitgehend neutralen Kurs. Neu-Delhi hat zwar einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine gefordert, sich aber geweigert, das Vorgehen Moskaus ausdrücklich zu verurteilen. Das Land hat sich bei mehreren UN-Resolutionen zum Krieg der Stimme enthalten.
US-Präsident Joe Biden hatte den indischen Kurs deshalb als „wackelig“ kritisiert. Denn gleichzeitig gehört das Land wegen der Ängste vor China zu einer sogenannten „Quad“-Gruppe mit den USA, Japan und Australien. Doch so gerne man gegen China mit den USA zusammenarbeitet, so wenig interessiert die indische Regierung der Konflikt im fernen Europa. Nun deutet sich – sehr zum Leidwesen der Europäer und Amerikaner – an, dass Indien einer der Nutznießer des westlichen Konflikts mit Russland werden könnte und die Regierung in Moskau damit stützt.
Bisher ist Russland Indiens Hauptlieferant von Verteidigungsgütern, aber der jährliche Gesamthandel beider Länder ist noch gering. Er betrug in den vergangenen Jahren durchschnittlich nur etwa neun Milliarden US-Dollar, hauptsächlich Düngemittel und etwas Öl. Zum Vergleich: Indiens bilateraler Handel mit China beläuft sich auf mehr als 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Aber angesichts der starken Rabatte auf russisches Rohöl seit dem Angriff auf die Ukraine hat Indien jetzt mindestens 13 Millionen Barrel gekauft, verglichen mit fast 16 Millionen Barrel, die im gesamten letzten Jahr aus Russland importiert wurden.
„Nationale Interessen an erster Stelle“
Kritik aus dem Westen weist die Regierung in Neu-Delhi zurück. „Ich würde die nationalen Interessen meines Landes an die erste Stelle setzen, und ich würde meine Energiesicherheit an die erste Stelle setzen“, sagte Finanzministerin Nirmala Sitharaman gegenüber dem Sender CNBC-TV18 mit Hinweis auf das verbilligte Öl aus Russland. „Warum sollte ich es nicht kaufen? Ich brauche es für mein Volk.“ Indien erwäge, auch seine Importe an russischer Kokskohle für die Stahlherstellung zu verdoppeln, sagte der indische Stahlminister am Sonntag. Indien hat zudem kürzlich einen Vertrag über den Kauf von 45.000 Tonnen russischen Sonnenblumenöls für April abgeschlossen – als Ersatz für ausgefallene Lieferungen aus der Ukraine. „Indien wird insgesamt mehr Artikel aus Russland importieren, besonders wenn es einen Rabatt gibt“, sagte ein hochrangiger indischer Regierungsbeamter.
Das Land könnte Russland damit dringend benötigte Devisen verschaffen und dient Russlands Präsident Wladimir Putin als Beispiel dafür, warum er davon ausgeht, westlichen Sanktionen widerstehen zu können. Indien umgeht dabei auch die Finanzsanktionen gegen Russland, die etwa einen Ausschluss etlicher russischer Banken aus dem Swift-Abrechnungssystem beinhalten. Die Regierung in Neu-Delhi versucht nun, ein Rupien-Rubel-Handelssystem einzurichten. Damit könnte die Entkoppelung der bevölkerungsreichsten Länder der Erde von Geschäften in Euro und Dollar voranschreiten.
Das sieht auch Lawrow so: „Es ist völlig klar, dass immer mehr Transaktionen über dieses System in den nationalen Währungen abgewickelt werden, unter Umgehung von Dollar, Euro und anderen Währungen“, sagte er. Beide Länder könnten einen Rupien-Rubel-Mechanismus für den Handel mit Öl, militärischer Ausrüstung und anderen Gütern nutzen.