Nicht nur Gas und Sprit werden teurer, auch Lebensmittelpreise steigen. Cem Özdemir möchte dagegen Maßnahmen schaffen, denn ernähren müsse sich jeder, Auto fahren nicht. Wegen der drohenden globalen Ernährungskrise steht auch eine Stärkung des Welternährungsprogramms im Fokus.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat eine Entlastung bei den Lebensmittelpreisen angeregt. „Längst nicht jeder hat ein Auto oder ist darauf angewiesen. Aber jeder muss sich ernähren. Darauf sind alle angewiesen“, sagt Özdemir in der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“.
„Deshalb muss man schon fragen, ob eine Entlastung hier nicht zielgerichteter ist als beim Benzinpreis und allen zugutekommt, insbesondere denjenigen, die wirklich Not leiden.“ Der Staat könne nicht alle Kosten des Kriegs auffangen: „Unsere staatlichen Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, können die Folgen des Kriegs nicht ungeschehen machen, höchstens abfedern. Das gehört zur Wahrheit dazu.“
Hintergrund sind steigende Preise für Gas und Sprit, aber womöglich auch für Lebensmittel, weil die Ukraine und Russland wichtige Exporteure von Getreide, Ölen und Düngemitteln sind. Er werde nicht über die Höhe von Preissteigerungen spekulieren, sagt Özdemir, aber: „Man muss auf jeden Fall davon ausgehen, dass manche Lebensmittel teurer werden.“ Özdemir kritisiert die Forderung, Spritpreise zu senken, was etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagen hat. „Hilfen müssen aufrichtig und effektiv sein.“
„Ich habe nicht den Eindruck, dass das für jeden Vorschlag gilt, der gerade gemacht wird“, sagt der Agrarminister. „Ich bin verwundert, dass es immer heißt, der Markt regelt das schon, also für Energie, Lebensmittel, Wohnen – nur nicht für Sprit.“ Die, die am lautesten riefen, seien nicht automatisch am meisten in Not, sagt Özdemir. „Wir können nicht mit dem Füllhorn durchs Land gehen, sondern müssen zielgerichtet helfen.“
Auch wenn Özdemir Vegetarier sei, werde er nicht predigen, dass alle zum Vegetarismus konvertieren müssen. „Aber sagen wir es so: Weniger Fleisch zu essen, wäre ein Beitrag gegen Herrn Putin.“ Bewusst einzukaufen und weniger Lebensmittel wegzuschmeißen genauso. Und grundsätzlich sei ein System nicht nachhaltig, in dem 60 Prozent des Getreides in den Futtertrögen landen, wie in Deutschland. „Das ist nicht tragbar und funktioniert nicht im globalen Kontext.“
Hilfen für das Welternährungsprogramm
Weiter hat Özdemir angesichts der drohenden globalen Ernährungskrise eine Stärkung des Welternährungsprogramms angekündigt. „Wir werden das World Food Programme besser ausstatten. Dafür hat meine Kollegin Annalena Baerbock meine volle Unterstützung“, sagt Özdemir dem „Spiegel“.
Das World Food Programme, auf Deutsch Welternährungsprogramm, ist ein Nebenorgan der Vereinten Nationen und hilft unter anderem in akuten Krisen, die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern. Wegen des Kriegs in der Ukraine, ausfallenden Ernten, blockierten Handelswegen und einem weitgehenden Exportstopp von Getreide aus Russland droht vor allem in Afrika und Asien Nahrungsmittelknappheit.
„Die Gefahr ist real“, sagt Özdemir über Hungersnöte. „Das World Food Programme der Vereinten Nationen bezieht 50 Prozent seines Weizens aus der Ukraine.“ Deutschland habe außerdem die Pflicht, die weltweiten Agrarmärkte offenzuhalten. Die Regierung werde gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln vorgehen, sagt Özdemir. „Da werden wir nicht tatenlos zusehen, wenn sich hier Verdachtsmomente erhärten. Zudem werden die betroffenen Ressorts – also Landwirtschaft, Auswärtiges, Entwicklung und Finanzen – die Welternährungssicherung in den Blick nehmen. Diese Zusammenarbeit wird mein Haus koordinieren.“