Die EU-Kommission verweigert weiterhin die Herausgabe von SMS-Nachrichten. Das ergab die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Gesprächsdetails zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Pfizer-Chef bleiben weiter im Verborgenen. Das EU-Parlament fordert mehr Transparenz.
EU-Parlamentarier verlangen seit Monaten Einzelheiten zu den Verhandlungen zwischen Ursula von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla. 2020 hat von der Leyen rund einen Monat eng mit dem Pfizer-Chef kommuniziert und letztendlich einen Milliarden-Deal abgeschlossen. Die Kommunikation lief meist über SMS und Textnachrichten. Damit wurde Pfizer mit 1,8 Milliarden Impfdosen zum unangefochtenen Impfstoff-Lieferanten für die EU.
Bereits im November forderten EU-Parlamentarier Einsicht in die Kommunikation zwischen beiden. Dabei kam der Verdacht auf, dass von der Leyen unrechtmäßig relevante Nachrichten zu dem Deal mit dem Impfstofflieferanten löschte. Auch gab es den Vorwurf seitens der Abgeordneten, dass die Löschung gegen das EU-Transparenz-Recht verstoße. Es folgte eine parlamentarische Anfrage der niederländischen Abgeordneten Sophie in ’t Veld, auf die die EU-Kommission nach Angaben des „Spiegels“ jetzt reagierte.
Bevor die intensiven Verhandlungen mit Pfizer begannen, stand die EU-Kommission in der Kritik für die EU nicht schnell genug, COVID-19-Impfstoffe besorgt zu haben. Laut einem Enthüllungsbericht der „NewYorkTimes“ (NYT) vom November habe von der Leyen der Vorwurf des politischen Versagens in der Pandemie gedroht. Daraufhin habe sie die Gespräche zu Bourla deutlich intensiviert, bis ein sehr enges Vertrauensverhältnis entstanden sein soll.
Prof. Peter Piot, ein Mikrobiologe und Von der Leyen-Berater soll die EU-Kommissionspräsidentin noch davor gewarnt haben, sich nur für Pfizer/BioNTech zu entscheiden. „Das ist wissenschaftlich gesehen ein zu hohes Risiko für mich“, sagte Piot damals gegenüber der „NYT“.
Antwort der EU-Kommission
In ihrer jetzigen Antwort betonte die EU-Kommission, sich an alle Vorschriften gehalten zu haben. Sie habe sämtliche offizielle Kommunikation bezüglich der Gespräche mit Pfizer dokumentiert. Weiter hielt die EU-Kommission an ihrer bereits im November getätigten Aussage fest, SMS und Textnachrichten seien „ihrer Natur nach nur kurzlebige“ Nachrichten und enthielten keine „wichtigen Angelegenheiten“.
Für Sophie in ’t Veld liegt der Fall klar auf der Hand. Die Kommission habe ein Problem mit Demokratie, so die Abgeordnete laut „Berliner Zeitung“. Es sei gerade in einer Krise wichtig, dass die parlamentarische Kontrolle ausgeübt werde. Die Kommission sollte nicht darüber entscheiden können, welche behördlichen Inhalte relevant sind und wo Rechenschaftspflicht besteht.
Frau von der Leyen muss vor das EU-Parlament geladen werden, um Auskunft zu geben. Sie muss uns sagen, ob sie die Nachrichten gelöscht hat und wenn ja warum“, betont in ’t Veld.
Mögliche Folgen
Rechtlich dürfte eine Löschung nicht mit dem aktuell geltenden EU-Transparenzgesetz vereinbar sein, heißt es in der Berliner Zeitung. Im Falle eines Verstoßes könnte das EU-Parlament sogar einen Misstrauensantrag stellen und von der Leyen ihres Amtes entheben. 1999 war die Kommission Santer im Zuge solcher Vorgänge zurückgetreten.
Sophie in ’t Veld sagte auch: „Wir haben Frau von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit in einer Abstimmung unser Vertrauen ausgesprochen. Das heißt aber nicht, dass sie eine Carte blanche (unbeschränkte Vollmacht) erhalten hat.“
Auch der liberale Abgeordnete Martin Hojsik schließt sich im „EU-Observer“ den Forderungen nach mehr Transparenz an. Erst kürzlich musste in Österreich Bundeskanzler Sebastian Kurz abtreten. Der Grund: Entlarvende SMS und Textnachrichten, die die Machenschaften seines Netzwerks sichtbar machten und die eigentlich niemals hätten in die Öffentlichkeit gelangen sollen.
Die Epoch Times berichtete schon 2020 über von der Leyens gelöschte Daten bezüglich ihrer damaligen Berateraffäre.
Bis wohin gilt Informationsfreiheit?
Dem Nachrichtendienst „Heise“ nach hatte die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly bereits vor über einem Jahr auf eine Beschwerde von „FragDenStaat“ entschieden, dass die europäischen Vorschriften für Informationsfreiheit nicht nur gedruckte und digitale Akten sowie E-Mails einschließen, sondern auch SMS und Chat-Botschaften.
Demnach müssten die EU-Gremien und nachgeordnete Institutionen solche direkte Kommunikation speichern und auf Anfrage hin zugänglich machen. Die Vizepräsidentin Věra Jourová selbst hatte noch im November entsprechende Leitlinien für den Dokumentenzugang angekündigt, was aber bis dato immer noch nicht umgesetzt wurde, sodass die Antwort in der jetzigen Form ausfiel.
Laut „t-online“ erntete Ursula von der Leyen auch in weiteren Punkten Kritik. So beispielsweise wegen eines besonders kurzen Fluges mit einem Privatjet.