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Betrügerische Geschichte / Main Slider

„Sagt mir, was ich gestehen soll“, flehte sie unter Folter

„Sagt mir, was ich gestehen soll“, flehte sie unter Folter
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Im 16. und 17. Jahrhundert starben Zehntausende Frauen als „Hexen“ auf dem Scheiterhaufen. Eine von ihnen war Anna Katharina Spee. Man warf ihr vor, „Königin“ des Hexensabbats gewesen zu sein und Sex mit dem Teufel gehabt zu haben.

Der Ton des Gerichtsschreibers war so nüchtern wie gewohnt. Penibel zählte er im September 1631 auf, was er „wegen hingerichter Hexen und Unholden, meiner Auslagen, Reisens und tag[es] Geltz halber“ zu empfangen habe. Die 20. und damit letzte Position auf der Liste war die der „Annae Catharinae Nürbergs“. Es ist der einzige Hinweis auf den Tod der Frau. Ein endgültiges Geständnis und das Todesurteil fehlen in der Prozessakte.

So bürokratisch die Sprache des Amtsmanns auch war, verbirgt sich hinter dem Namen „Anna Catharina Nürberg“ doch ein Schicksal, das exemplarisch für das Leiden vieler ihrer Zeitgenossinnen steht: Nach Tagen der Folter verbrannte Anna Katharina Spee, geborene Nürberg, kurz nach dem 20. September 1631 im heutigen Rheinland-Pfalz als „Hexenkönigin von Bruchhausen“ auf dem Scheiterhaufen. Kurz zuvor hatte sie der Scharfrichter erdrosselt – ein makabrer Gnadenerweis.

Hexenverbrennung im 16. Jahrhundert Recht: Hinrichtung / Feuertod. - Hexenverbrennung im 16. Jahrhundert. - Foto, koloriert, nach unbez. Gemaelde, um 1860.
Die Kirche stufte Hexerei als Verbrechen ein

Nie wütete der Hexenwahn so sehr wie im 16. und 17. Jahrhundert. Aberglaube, Religionskriege, Seuchen und die Auswirkungen der Kleinen Eiszeit auf Ernte und Vieh führten zu einer Suche nach Schuldigen, die eine völlig neue Art von Grausamkeit über Europa brachte. Voraussetzung für die systematischen Verfolgungen war, dass „Hexerei“ zuvor als real – und damit als Verbrechen eingestuft worden war. Der Wahn entlud sich in der Frühen Neuzeit also in Hexenprozessen, zumeist vor weltlichen Gerichten.

Eine besondere Rolle spielte dabei die legale Folter der Angeklagten, die (falsche) Geständnisse und die Denunziation weiterer „Mit-Hexen“ erpressen sollte: eine fatale Kettenreaktion, die regional zu regelrechten Massenhinrichtungen führte.

Die Tatsache, dass die Bevölkerung die Hexenverfolgungen befürwortete, entschuldige demnach nicht die Rolle der Kirche, der Justiz und des Staates, betont der Historiker Wolfgang Behringer in seinem Buch „Hexen: Glaube. Verfolgung. Vermarktung“. Etwa 50.000 Menschen, davon 75 bis 80 Prozent Frauen, sollen dem legalen europäischen Hexenwahn zwischen 1430 und 1780 zum Opfer gefallen sein.

Anna Katharina Spee war während einer Welle an Verfolgungen im Erzstift Köln, die 1631 auf ihre Heimat Bruchhausen in der Herrschaft Erpel übergegriffen hatte, in den Fokus der Fahnder geraten. Mehrere Beschuldigte hatten sie unter Folter bezichtigt, ebenfalls eine Hexe zu sein.

Verbrennung der Hexen / Philippoteaux Recht / Hinrichtung / Feuertod: - 'Verbrennung der Hexen und Ketzer durch Aufheben und Niedersenken in das Feuer zu Paris'. - Holzstich nach Zeichnung von Felix Phi- lippoteaux (1815-1884), spaetere Ko- lorierung. Aus: J.G.Vogt, Illustrierte Weltgeschichte fuer das Volk, Bd.4, Leip- zig (E.Wiest) 1894. Berlin, Slg.Archiv f.Kunst & Geschichte. E: Withc-burning / Philippoteaux Law / Witch-burning / Burning at stake: - 'Burning of witches and heretics in Paris, by raising and lowering them into the fire'. - Wood engr. after drawing by Felix Phi- lippoteaux (1815-1884), later colouring. From: J.G.Vogt, Illustrierte Weltgeschichte fuer das Volk, Vl.4, Leip- zig (E.Wiest) 1894. Coll. Archiv f.Kunst & Geschichte.
Gerüchte konnten zu einer Anklage wegen Hexerei führen

Die Vorwürfe gegen Anna Katharina Spee spiegelten die ganze Bandbreite von Hörensagen bis zum reinen Hirngespinst wider: Sie sei immer „eines leichtfertigen Lebens gewest“, habe „quasi bei der Ehe in Hurerey gelebt“. Mit ihrem Schwager habe sie ein Kind gehabt. Noch zu Lebzeiten ihres ersten Mannes Robert Spee sollte sie sich außerdem „mit dem Pferdte Knecht angelegt“ und diesen „nach Todt ihres Mans, gegen ihrer Kinder Willen zur Ehe genommen“ haben; darüber hinaus sei sie „mit Geistlichen und Weltlichen Ehebruchs verdechtigt“.

Die Gerüchte gipfelten in der Behauptung, sie habe als „Königin“ am Hexensabbat teilgenommen – und zwar tanzend, in stattlichen Kleidern, neben einem großen schwarzen Mann mit spitzem Hut. Auf einem goldenen Wagen sei sie gekommen und am Ende damit durch die Luft gefahren. Diese „Besagungen“ genügten dem Hexenkommissar Dr. Johannes Moeden, einem der gefürchtetsten Hexenjäger seiner Zeit, um Anna Katharina Spee am 9. September 1631 in ihrem Heimatdorf Bruchhausen verhaften zu lassen.

Nach Verlesung der Anklageschrift gestand sie in der „gütlichen“, also noch ohne Folter durchgeführten Befragung, den ihr vorgeworfenen Lebenswandel und bestätigte einen Teil der Geschichten, die über sie im Umlauf waren: Unter anderem gab sie zu, dass sie, „als ungefehr 12 oder 13 jar alt gewest“, von ihrem Schwager schwanger geworden sei und „ein kindt zur welt bracht“ habe.

Den Vorwurf jedoch, eine Hexe zu sein, wies Anna Katharina Spee von sich. Aber der Hexenkommissar verlangte ein Geständnis. Teufelspakt und -buhlschaft, also eine sexuelle Vereinigung mit dem Bösen, den Flug zum Hexensabbat und Schadenzauber sollte sie zugeben – wenn es sein musste unter Gewaltanwendung, in der „peinlichen“ Befragung, die die Folterknechte dann auch durchführten.

Neun lange Tage währte Anna Katharina Spees Tortur. Unter den Schmerzen der angezogenen Beinschrauben soll sie gefleht haben: „Sagt mir, was ich gestehen soll!“ Sie sei unschuldig, könne nicht zaubern. An den Armen ließen sie die Folterknechte von der Decke hängen. Mehrere Stunden musste sie auf einem mit eisernen Stacheln versehenen Folterstuhl sitzen, während die Befragung weiterging und ein Franziskaner versuchte, ihr den Teufel auszutreiben.

A suspected witch is stripped and tortured to confess so that she may be burnt at the stake. (Martin van Maele in Michelet, La Sorciere)
Geständnisse wurden durch „peinliche“ Befragungen erpresst

Mehrmals wehrte sich Anna Katharina Spee, von Qualen zermürbt, nicht mehr gegen die Vorwürfe, gab alles zu, widerrief ihre Aussagen aber bald wieder, was neue Folter zur Folge hatte. Ihr Geld brachte Linderung, aber nur kurz: Mit 100 Talern, einer hohen Summe für damalige Verhältnisse, erkaufte sich die Angeklagte Bedenkzeit.

Doch am Ende bekam der Hexenkommissar, was er wollte: Anna Katharina Spee gestand und benannte, gebrochen von der tagelangen Tortur, weitere vermeintliche „Mit-Hexen“. In einem Karren soll man sie dann unter den neugierigen Blicken der Dorfbewohner zu der Gerichtsstätte gefahren haben, wo sie der Henker erwartete.

In der Region ist die Frau noch heute bekannt – auch als Verwandte von Friedrich Spee, dem Verfasser der berühmt gewordenen „Cautio Criminalis“. Rund ein halbes Jahr vor ihrem Prozess hatte der Jesuit in der Streitschrift anonym die Stimme gegen die Verfolgungen erhoben. Ein Zusammenhang zwischen Anna Katharina Spees Schicksal und dem Erscheinen von Friedrich Spees Werk sei durch die Quellen jedoch nicht zu beweisen, schreibt der Historiker Rainer Decker. Ein persönlicher Kontakt zwischen den beiden lasse sich ebenfalls nicht rekonstruieren.

Dennoch hätte Friedrich Spee schon vor dem Prozess von den Gerüchten über seine Verwandte in Bruchhausen erfahren haben können. Die Sorge um das Leben von Anna Katharina Spee hätte ihn folglich in dem Vorhaben bestärkt haben können, gegen die Hexenverfolgungen vorzugehen, argumentiert Decker.

Als sicher gilt, dass die „Cautio Criminalis“, die dem reinen Wortsinn nach ein „rechtliches Bedenken“ gegen die Hexenprozesse äußerte und systematisch alle Argumente dagegen auflistete, zu öffentlichen Diskussionen führte – und so ihren Anteil an dem Ende der Hexenjagden in Europa leistete.

Anna Göldi gilt als die letzte Frau, die im deutschsprachigen Raum den legalen Verfolgungen zum Opfer fiel. Am 13. Juni 1782 enthauptete ein Henker die Dienstmagd im Schweizer Kanton Glarus. Auf ihre Hinrichtung folgte europaweite Empörung. Für Anna Katharina Spee und viele andere kam das Ende dieses Wahns freilich zu spät.

2-R13-F1-1533-B (467844) 'Hexenverbrennung in Schiltach, 1533' Recht: Hinrichtung / Feuertod. - 'Hexenverbrennung in Schiltach, 1533'. - Holzschnitt, zeitgenössisch, von Stefan Hamer (tätig in Nürnberg zwischen 1534 und 1554). Spätere Kolorierung. E: 'Witch burning in Schiltach, 1533' Law: Execution / Death by fire. - 'Witch burning in Schiltach, 1533'. - Woodcut, contemporary, by Stefan Hamer (active from 1534-1554 in Nuremberg). Colour added later.
Verurteilte Hexen und Zauberer erwartete ein schrecklicher Tod im Feuer

Medizinskandal Alterung

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