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Inside xHamster: Undercover im Löschteam der meistbesuchten Pornoseite Deutschlands

Inside xHamster: Undercover im Löschteam der meistbesuchten Pornoseite Deutschlands
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VICE-Recherchen zeigen erstmals, wie schlecht xHamster Opfer von sexualisierter Gewalt schützt. Löscharbeiter sollen mit bloßem Blick bewerten, ob Frauen minderjährig sind.

Es ist der 5. September, und auf der meistbesuchten Pornoseite Deutschlands wird darüber gestritten, woran man eine minderjährige Person erkennt. Für die internationale Crew aus freiwilligen Löscharbeitern ist das wichtig. Es ist nämlich ihr Job, frisch hochgeladene Fotos auf der Pornoseite zu überprüfen, und Nacktfotos von Menschen unter 18 sind verboten.

Ein Löscharbeiter schreibt, Minderjährige hätten „keine Intimbehaarung und einen unschuldigen Blick“. Sein Kollege widerspricht vehement. Es sei weit verbreitet, sich zu rasieren. „Ein unschuldiger Blick ist nirgendwo im Handbuch erwähnt und sollte nicht in Betracht gezogen werden.“

Mitten in der Diskussion steckt auch Holger, ein fiktiver xHamster-Nutzer, den wir heimlich ins Team der Löscharbeiter geschleust haben. Mit seiner Hilfe wollen wir unmittelbar beobachten, wie zuverlässig die Plattform mutmaßlich illegale Fotos löscht. Als Löscharbeiter möchte Holger nämlich alles richtig machen, nach bestem Wissen und Gewissen.

Er wird schnell an Grenzen stoßen.

Frisch eingeschleust findet sich Holger in einem Team aus offenbar mehr als 100 unbezahlten, freiwilligen Löscharbeitern wieder. Von nun an soll er kontrollieren, welche Fotos die Besucherinnen und Besucher der Seite täglich sehen dürfen und welche nicht. Das hat Auswirkungen auf Millionen Menschen weltweit, denn xHamster ist ein Internet-Gigant. Die Plattform steht im Oktober auf Platz 11 der meistbesuchten Websites in Deutschland, noch vor BildSpiegel und PayPal. Im weltweiten Ranking belegt xHamster im Oktober immerhin Platz 22, noch vor eBay.

Auf xHamster veröffentlichen Nutzerinnen und Nutzer Fotos, Videos und erotische Kurzgeschichten. Eine Auswahl an Porno-Genres auf der Startseite gibt einen Eindruck, was auf der Plattform beliebt ist – zum Beispiel „Amateure“, „BDSM“ und „Handjob“. Jeder kann auf xHamster anonym einen Account anlegen und hochladen, was er möchte.

All die neuen Inhalte bedeuten Arbeit für das freiwillige Löschteam. Ausgestattet mit einem Handbuch über erlaubte und verbotene Bilder klicken sich die Löscharbeiter täglich durch Tausende neue Foto-Uploads. Videos überprüfen die Löscharbeiter inzwischen nicht mehr. Warum das so ist und wie genau xHamster stattdessen Videos überprüft, hat die Firma auf unsere Anfrage nicht beantwortet.

Hier gibt es alle Texte der Artikelserie Inside xHamster.

Ihre Arbeit verrichten die Löscharbeiter anonym mit ihren privaten xHamster-Accounts. Nicht einmal xHamster weiß, wie sie alle wirklich heißen. Für unsere Recherche ist das ein Vorteil: Keiner schöpft Verdacht, dass hinter dem Account von Holger eigentlich VICE-Journalisten stecken.

Mehrere Wochen lang sichten wir als Löscharbeiter für xHamster mutmaßlich legale und illegale Inhalte, studieren die internen Regeln der Pornoplattform und sprechen mit anderen Löscharbeitern. Unsere Recherche zeigt: xHamster fordert seine Löscharbeiter ausdrücklich auf, selbst solche Inhalte durchzuwinken, an deren Rechtmäßigkeit sie erhebliche Zweifel haben, sofern sie sich nicht zu 100 Prozent sicher sind, dass sie gegen die Regeln von xHamster verstoßen. Diese Regeln bieten aber keinen umfassenden Schutz vor sexualisierter und digitaler Gewalt auf der Plattform.

Aufnahmen von mutmaßlich Minderjährigen, die dem Gesetz gegen Verbreitung von Jugendpornografie zufolge strafbar sein könnten, werden von den Löscharbeitern so nur mangelhaft aussortiert. Durchgewunken werden auch Aufnahmen, die dem Anschein nach von Spannern gegen den Willen der gezeigten Personen verbreitet werden. Das Interesse der xHamster-Besucher an diesen Inhalten ist offenbar groß: Die Genres „Teen“ und „Voyeur“ werden auf der Startseite von xHamster präsentiert.

Unsere Recherche zeigt auch, wie wenig xHamster offenbar investiert, um Opfer vor sexualisierter und digitaler Gewalt zu schützen. Die Löscharbeiter erhalten kein Geld und keine persönliche Schulung. Die inhaltliche Betreuung der Crew durch eine xHamster-Administratorin beschränkt sich, so haben wir es in unserer Recherche erlebt, vor allem auf knappe Textnachrichten. Teils reagierte die Administratorin mehrere Tage nicht auf geschilderte Probleme. Holger scheiterte mehrmals beim Versuch, klare Regeln zu erfragen.

Auf unsere 67 detaillierten Fragen per E-Mail hat xHamster mit knappen, allgemeinen Statements reagiert. Probleme im Regelwerk der Löscharbeiter wurden nicht kommentiert. Auch nicht, als wir noch einmal nachhakten, und der Firma weitere 24 Stunden Zeit für eine ausführlichere Antwort anboten.

„Wir können aus einer Reihe von Gründen (Sicherheit, technische Gründe) nicht auf Einzelheiten unserer internen Überprüfung eingehen“, schreibt uns Alex Hawkins, Vice President von xHamster, auf Englisch. Als Grund für die Verschwiegenheit nennt Hawkins, man wolle „potenziellen Tätern keine Einblicke geben, wie sie die Systeme von xHamster umgehen könnten“. Hawkins schreibt weiter: „Seien Sie versichert, dass Kontrollen und Überprüfungen existieren.“

An der „Existenz“ von Kontrollen lässt die Recherche keine Zweifel – wohl aber an ihrer Wirksamkeit.

Trigger-Warnung: Dieser Text enthält explizite Schilderungen von sexualisierter Gewalt, die unter Umständen retraumatisierend sein können.

In den eigenen, englischsprachigen Nutzungsbedingungen zeichnet xHamster ein ideales Bild von Online-Pornografie. Demnach verpflichten sich Uploader, „das schriftliche Einverständnis, die Freigabe und/ oder die Erlaubnis jeder einzelnen identifizierbaren Person“ zu besitzen. Verboten sind laut Nutzungsbedingungen neben Copyright-Verstößen alle Uploads, die „gesetzeswidrig, schädlich, bedrohlich, missbräuchlich, belästigend (….) oder anderweitig anstößig“ sind. Außerdem betont xHamster in fetten Großbuchstaben: „Wir haben eine Null-Toleranz-Policy gegenüber pornografischem Material mit Minderjährigen“.

Würden sich alle an diese Regeln halten, dann wäre xHamster eine Plattform für sexuelle Freiheit und selbstbestimmten Austausch unter Gleichgesinnten. Nutzerinnen und Nutzer würden nur Aufnahmen von sich selbst oder von Menschen hochladen, deren Einverständnis sie haben. Auch xHamster-Sprecher Hawkins betont, xHamster habe „nie die Absicht gehabt, Menschen zu erlauben, jemanden bloßzustellen oder zu demütigen“. Deshalb fordere die Plattform Menschen dazu auf, zusammen daran zu arbeiten, dass xHamster ein „sicherer Ort“ sei.

Unsere Recherche im Löschteam zeigt aber: Die Realität sieht komplett anders aus. Die Löscharbeiter sollen nach Augenschein entscheiden, ob eine Person unter 18 sein könnte oder nicht. Bilder von mutmaßlich Minderjährigen werden deshalb nur dann verlässlich von den Löscharbeitern entsprechend markiert, wenn sie eindeutig kindlich aussehen. Sollten Löscharbeiter den Verdacht haben, es könnten illegale Voyeur-Aufnahmen vorliegen, dann haben sie nicht mal die Option, nach schriftlichen Einverständniserklärungen zu verlangen.

Bevor Holger fleißig erste Fotos bewertet, hat er aber vor allem Fragen. Wie soll er bitte beurteilen, ob zum Beispiel eine nackte Frau am Strand bereits 18 Jahre alt ist? Er beschließt deshalb, erst einmal die Kollegen zu beobachten.

Bis heute ließ sich xHamster nur von außen betrachten. Vergangene Recherchen zeigten etwa, wie lax die Pornoplattform damit umgeht, wenn Zuschauer Videos mit Verdacht auf sexualisierte Gewalt melden. Im Sommer 2019 wurden auf xHamster Aufnahmen von versteckten Kameras verbreitet, die Frauen auf Musikfestivals beim Duschen und auf der Toilette zeigten. xHamster ließ den Account von einem der Uploader VICE-Recherchen zufolge noch tagelang online. Auch verbotene Aufnahmen aus einer deutschen Sauna konnten ungehindert auf xHamster kursieren.

So haben wir uns ins Löschteam von xHamster geschleust

ZENTRALE PLATTFORM FÜR LÖSCHARBEITER: DAS NUR FÜR „FREUNDE“ SICHTBARE PROFIL DES „RCLUB“ | SCREENSHOT: XHAMSTER

Wenn es um interne Abläufe geht, gibt sich xHamster geheimnisvoll. Im Dezember 2019 haben wir erstmals gefragt, wie viele Menschen bei xHamster hochgeladene Inhalte überprüfen. „Wir können die genaue Anzahl nicht bekannt geben“, antwortete eine Sprecherin. Videos würden auf xHamster erst veröffentlicht, nachdem sie genehmigt und geprüft worden seien. Die Arbeit werde teils vom Support-Team des Unternehmens erledigt, teils vom sogenannten „Reviewers Club“. Ein „Club“ zum Überprüfen von Nacktaufnahmen?

Wie wir heute wissen, ist damit nichts anderes gemeint als jene Gruppe, die freiwillig für xHamster Löscharbeiten erledigt. Inzwischen ist dieser Club nicht mehr für Videos zuständig, sondern nur noch für Fotos. Wenn die Löscharbeiter des „Reviewers Club“ ein Foto überprüfen, ist es bereits online. Gelöscht wird also nach der Veröffentlichung, nicht davor.

Die Pressesprecherin erklärte uns im Dezember 2019, dass sich jeder xHamster-Nutzer für den Club bewerben könne. Eine E-Mail genüge. Also haben wir Holger erfunden, einen 30-jährigen Berliner, der sich auf seinem Profil als heteroflexibel und zuverlässig bezeichnet – und der gerne einen Teil seiner Freizeit im „Reviewers Club“ verbringen würde.

Wie sich herausstellte, brauchte Holger aber vor allem eine andere Eigenschaft, um Löscharbeiter für xHamster zu werden: Geduld. Denn erst ab 200 Tagen auf der Plattform können sich Nutzer für den Club bewerben. Monate später kassierten wir erneut eine Abfuhr. Diesmal hieß es: Holger müsse „mindestens ein wenig eigenen Content“ hochladen.

Also weihten wir eine Sexarbeiterin in unsere Recherche ein. Sie erklärte sich bereit, in die Rolle von Holgers Frau zu schlüpfen und einige Nacktaufnahmen für den Upload auf xHamster beizusteuern. Doch selbst das war nicht genug.

Wochenlang wurde Holger von der zuständigen Administratorin immer wieder hingehalten. Zuerst sollte er neben den Videos noch ein paar Fotos hochladen. Das tat er gewissenhaft – aber ohne Erfolg.

Admin: „Kannst du noch mehr hochladen?“
Holger: „Klar, wie viel brauchen wir denn?“
Keine Antwort.

Ob all das noch zum Bewerbungsverfahren gehörte? Wenn ja, dann ließen sich für Holger keine Kriterien erkennen. Er hakte freundlich nach, zwei Tage später, elf Tage später. Ob er etwas falsch gemacht habe? Keine Reaktion.

Fast hatte er schon aufgegeben, als Holger im Sommer 2020 plötzlich die Freischaltung für den „Reviewers Club“ erhielt. Seitdem ziert ein goldener Sheriffstern sein Profil auf der Plattform, darauf prangt der Schriftzug: „xHamster Reviewer“. Holger musste sich für diese Position nie identifizieren und auch kein persönliches Vorstellungsgespräch führen. Er musste nicht beweisen, dass er sich als Person dafür eignet, sensible Inhalte zu überprüfen und folgenschwere Entscheidungen zum Schutz von Opfern sexualisierter Gewalt zu treffen.

Allein durch die Nacktaufnahmen einer fremden Frau und durch beharrliches Nachhaken ist Holger zum Löscharbeiter auf einer der größten Pornoplattformen der Welt geworden. xHamster überlässt die sensible und verantwortungsvolle Aufgabe der Löscharbeit fremden Leuten, über deren Motive und Eignung der Firma kaum etwas bekannt ist.

Inside xHamster: Der Arbeitsplatz der Löscharbeiter

SHERIFFSTERNE FÜR DIE „REVIEWER DES MONATS“ | SCREENSHOT: XHAMSTER

Der „Reviewers Club“ erinnert mit seinem eingestaubten Design an das alte MySpace. Holger soll zuerst die Moderationsregeln lesen, ein „Manual“ mit rund 2.800 Zeichen und 38 Beispielfotos. Hier haben wir das interne Regelwerk von xHamster veröffentlicht.

Die zentrale Plattform für den Austausch unter den Löscharbeitern ist nicht etwa ein eigens programmiertes Forum, sondern die profane Pinnwand eines xHamster-Accounts namens „RClub“. Sichtbar ist die Pinnwand nur für Freunde, deshalb muss auch Holger den „RClub“ als xHamster-Freund hinzufügen.

Auf der Pinnwand veröffentlichen Holgers neue Kollegen ihre aktuellen Fragen, posten Links zu problematischen Bildergalerien und bekritteln die Regeln aus dem Handbuch. Mehr als 1.145 Seiten lang ist die Pinnwand bereits, die ältesten Einträge sind neun Jahre alt. Übersichtlich ist das nicht. Die Löscharbeiter von xHamster müssen auf moderne Team-Software mit thematisch aufgeteilten Channels verzichten.

Das Handbuch mit den Moderationsregeln ist nur für Mitglieder des „Reviewers Club“ sichtbar. Die aktuelle Version, die sich Holger einprägen soll, ist laut Zeitstempel ein Jahr alt. Eine ältere Version der Regeln mit weniger Beispielfotos erschien vor neun Jahren.

Die Freundesliste des „RClub“ zählt Anfang Oktober rund 130 Accounts. Durch diese Liste kann sich Holger ein erstes Bild seiner neuen Kolleginnen und Kollegen verschaffen. Einige sind offenbar xHamster-Mitarbeiter, die meisten freiwillige Löscharbeiter. Sie haben Nicknames wie „DirtyPervert“, „Upskirt“ und „Cumslut“. Es gibt aber auch Namen wie „Nick“ oder „David“. Ein Löscharbeiter hat als Profilbild einen ejakulierenden Penis, ein anderer eine Vulva in Nahaufnahme.Es ist zunächst nichts Ungewöhnliches, wenn Online-Plattformen auch auf die Mitarbeit von Freiwilligen setzen. Das tut auch YouTube für die Moderation unerlaubter Videos. Die Crew heißt dort nicht „Reviewers Club“, sondern „Trusted Flagger„.

Die Löscharbeiter von xHamster verbringen die meiste Zeit damit, sich durch nie enden wollende Reihen aus Nacktbildern zu klicken. Die meisten von ihnen zeigen Frauen. Selten sind nur Männer zu sehen.

Holger lernt schnell, dass es unter den Löscharbeitern Rangunterschiede gibt. Die fleißigsten werden mit außergewöhnlichen Sheriffsternen gewürdigt, die auf ihrem xHamster-Profil prangen. Die drei aktivsten Arbeiter des Monats erhalten einen Sheriffstern in Gold, Silber und Bronze. Eine besondere Rarität ist ein rot verzierter Sheriffstern für eine Million überprüfte Inhalte. Aber davon ist Holger noch weit entfernt.

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Herzlich Wilkommen auf unsere neue Webseite !

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