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Gefahr durch Cyber-Attacken Die Blackout-Analyse: Um Deutschland lahmzulegen, bräuchte Putin keine Panzer

Gefahr durch Cyber-Attacken Die Blackout-Analyse: Um Deutschland lahmzulegen, bräuchte Putin keine Panzer
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Ein Krieg an der russisch-ukrainischen Grenze ist weiter möglich. Und erst am Dienstag wurde ein massiver Hacker-Angriff auf das ukrainische Verteidigungsministerium und zwei staatliche Banken gemeldet. Auch Deutschland ist im Visier russischer Krieger. Putin führt bereits seit Jahren mit seinen Hackern einen Cyber-Krieg gegen den Westen. Wenn er ihn verschärft, steht Deutschland schlecht da, wie Recherchen von FOCUS Online zeigen. Auch, weil die Ampel beim Thema Katastrophenschutz ihr Wort gebrochen hat.

Deutschland und die westliche Welt befinden sich seit Jahren im Krieg mit Russland. Kein Krieg, der mit Sturmgewehr oder Raketen geführt wird, sondern mit digitalen Mitteln. Für den Cyber-Krieg zeichnet der russische Militärgeheimdienst GRU verantwortlich: Mal legen russische Hacker eine Erdöl-Pipeline in den USA lahm, dann das Stromnetz in der Ukraine. Anfang Februar griffen Putins Cyber-Krieger den Hamburger Tanklogistiker Oiltanking an und blockierten die Software für alle Be- und Entladesysteme – und damit einen Teil der deutschen Benzin-Versorgung.

Bislang nur Geplänkel. Thomas Jäger, Außenpolitik-Experte von der Uni Köln, warnt: „Im Falle eines Konfliktes werden von Seiten Russlands die Cyber-Maßnahmen gegen den Westen verstärkt, soweit sie von den USA durch gleichgelagerte Fähigkeiten nicht abgeschreckt werden können.“ Deutschland sei zu solcher Abschreckung nicht fähig, so Jäger: „Und Angriffe auf die kritische Infrastruktur müssen zumindest einkalkuliert werden, um den Schaden möglichst gering zu halten.“

Blackout bei Rewe-Supermärkten – ländlicher Raum ohne Mobilfunk

Ein Frontalangriff auf die Energieversorgung eines Landes, um einen Blackout zu provozieren, ist die Königsdisziplin von Putins Hackern. Gerade auf einen längeren Stromausfall ist Deutschland nur unzureichend vorbereitet. FOCUS Online hat nachgefragt:

Bei einem flächendeckenden, längeren Stromausfall würde die Lebensmittelversorgung besonders leiden, da dann weder Kühlketten noch Kassensysteme funktionieren. Denn beispielsweise Rewe-Supermärkte „verfügen über keine Notstromaggregate“, heißt es aus der Konzernzentrale in Köln. Bei Edeka habe man keinen Überblick über die rund 3600 selbstständigen Märkte des genossenschaftlichen Verbunds, sagt eine Edeka-Sprecherin aus Hamburg. Bei Lidl hingegen gibt man sich für den Notfall vorbereit: „Bei einem Stromausfall über mehrere Tage kommen in den betroffenen Filialen Notstromaggregate zum Einsatz, sodass wir den Kunden ein eingeschränktes Sortiment für die Grundversorgung anbieten können“, so ein Sprecher.

Auch beim Mobilfunk würden nur noch Teile des Netzes in Betrieb bleiben. Die digitale Kommunikation via Smartphone wäre bei einem Blackout in weiten Teilen des Landes unterbrochen. Die Anfragen bei Telekom und Vodafone ergeben, dass die Mobilfunkmasten über eine Batterie-Reserve von einer Stunde verfügen, die Netzknotenpunkte würden bis zu vier Stunden durchhalten. Danach müssten mit Diesel oder Erdgas betriebene Notstrom-Generatoren ran, um eine Mobilfunk-Grundversorgung aufrechtzuerhalten, mit sogenannten „mobilen Netzersatzanlagen“. Hiervon würden jedoch nur einige Sendemasten in den Städten profitieren. Der ländliche Raum hingegen wäre jedoch weitgehend vom Mobilfunk angeschnitten.

Blackout = Bürgerkrieg: Nach spätestens zwölf Stunden muss eine Notversorgung stehen

Würden Putins Hacker die deutsche Stromversorgung regional lahmlegen, würde nach ein, zwei Tagen das blanke Chaos ausbrechen, warnte der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger im Juni 2020.

Krisenforscher Frank Roselieb aus Kiel sieht das ähnlich: „In der Krisenforschung gilt die Formel ‚Blackout = Bürgerkrieg‘. Wir sind – gerade in Großstädten – ein ‚Just-in-time‘-Leben und Instant-Shopping gewohnt. Private Vorratslager gibt es kaum noch.“ Viele Dinge – wie etwa Kühlung für Lebensmittel, Heizung im Winter, Trinkwasserversorgung oder Handy – würden dann nicht mehr funktionieren. Nach spätestens zwölf Stunden müsse daher eine Notversorgung stehen, so Roselieb, um Chaos zu vermeiden.

Dass Putins Hacker hoch aktiv sind, weiß auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn. Das BSI versucht daher mit Energieversorgern und anderen „kritischen Infrastrukturen“ die Sicherheit zu erhöhen – mit zweifelhaftem Erfolg: Laut BSI-Lagebericht für 2021 wurden „in den Sektoren Informationstechnik und Telekommunikation, Finanz- und Versicherungswesen sowie Wasser und Energie im Rahmen der Prüfung der turnusmäßigen Nachweise insgesamt 1805 Sicherheitsmängel gefunden“. Im Energie-Bereich betrafen 23 Prozent der festgestellten Mängel die Managementsysteme der IT-Sicherheit und acht Prozent direkt die technische IT-Sicherheit. Und diese Mängel nutzen nicht nur Russlands Cyber-Krieger gnadenlos aus.Russischer Militärgeheimdienst GRUdpa/Pavel Golovkin/APGebäude des russischen Militärgeheimdienstes GRU in Moskau. Nicht nur die USA werfen dem GRU zahlreiche Cyber-Attacken gegen die kritische Infrastruktur vor.Und von den meisten Hacker-Angriffen bekommt die Bevölkerung gar nichts mit, so Krisenforscher Roselieb, der in Kiel auch ehrenamtlich die Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement leitet. Nicht nur auf Energieversorger, auch auf das Geld von Bürgern und Unternehmen haben es die Verbrecher abgesehen: „Natürlich gibt keine Bank zu, dass Hacker das Online-Banking lahmgelegt haben. In der Außenkommunikation wurden dann nur ‚ohnehin geplante Wartungstermine vorgezogen‘.“ Bei der Stromversorgung sei man im Januar und Juli 2021 „nur recht knapp“ von einer länger andauernden Störung wegen Hacker-Angriffe verschont geblieben.

In Stadt und Land: Kaum auf Katastrophenschutz vorbereitet

Bund, Länder, Landkreise und kreisfreie Städte sind beim Katastrophenschutz schlecht vorbereitet. Der Kalte Krieg ist ja auch schon lange vorbei. Es liegt aber auch am Grundgesetz. Denn laut Artikel 35 regeln die Länder eigenständig den Katastrophenfall. Zur Not kann um Amtshilfe beim Bund gebeten werden, damit Bundeswehr oder Technisches Hilfswerk unterstützen. Doch dazu müsste wiederum ein Landkreis oder eine Stadt seine Landesregierung erst um Hilfe bitten. Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 im Ahrtal hat dies nicht funktioniert: Der Landkreis war überfordert und schaltete die zuständige Landesbehörde zu spät ein, die dann wegen ihres chaotischen Krisenmanagements ebenfalls am Pranger stand.

Schaut man sich den Katastrophenschutz in Deutschland etwas genauer an, kann einem Angst und Bange werden. Die Behörden in Städten und Ländern können zwar für den Notfall Krisenstäbe bilden, die Verantwortung für Strom, Telekommunikation und Lebensmittel-Versorgung lägen jedoch bei den Unternehmen und den Bürgern selbst. FOCUS Online hat hierzu drei Stichproben gemacht:

  • Wer etwa im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf (270.000 Einwohner) Hilfe im Katastrophenfall sucht, kann eine E-Mail an die allgemeine Adresse des Bezirksamts schicken: post@ba-mh.berlin.de. Scheinbar kümmert sich hier der Pförtner um den Katastrophenschutz – wenn im Ernstfall tatsächlich noch E-Mails in seinem Postfach landen. Auf Nachfrage erklärt Bezirksstadtrat Torsten Kühne, dass der Bezirk „keine bezirkseigenen Strategien bzw. Krisenpläne“ für den Notfall habe. Die liegen beim Berliner Innensenat. Ein Projekt des Innensenats sehe vom Stromnetz unabhängige „WLAN-Leuchttürme“ vor, um mit der Bevölkerung kommunizieren zu können. Die seien aktuell aber in Berlin noch nicht arbeitsfähig, so Kühne zu FOCUS Online. Der Innensenat verweist hingegen darauf, dass die Betreiber „kritischer Infrastrukturen“ – also etwa Strom-, Gas-, Wassernetz und Internet – selbst vorsorgen müssen, und empfiehlt ansonsten: „Nachbarschaftshilfe“.
     
  • So sieht es auch das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München: „Die zuständigen Versorgungsbetriebe halten eigene Notfall- und Krisenpläne vor.“ Und falls bei einem längeren Stromausfall die Telekommunikation zusammenbricht, versorge die Feuerwehr die Münchener Bevölkerung „mit dringend notwendigen Informationen über mobile Lautsprecherdurchsagen“. Im Übrigen könne nur die eigenverantwortliche Vorsorge im Rahmen des Selbstschutzes greifen, so der in München zuständige Verwaltungsrat Thomas Appel.
     
  • Auch im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern hält man die Gefahr eines Blackouts für sehr gering, heißt es aus dem Schweriner Innenministerium. Offensichtlich nimmt man das Thema deshalb nicht sonderlich ernst: Seit 2013 arbeite man schon an einer Studie zur Blackout-Prävention. „In diesem Jahr soll diese Studie weitergeführt werden“, so eine Ministeriums-Sprecherin. Falls Internet und Mobilfunk im Land ausfallen, stünden noch Lautsprecherwagen „regional begrenzt“ zur Verfügung. Das Bundesland an der Ostsee ist mit über 23.000 Quadratkilometern etwa so groß wie Albanien: Lautsprecherwagen müssten da ordentlich Strecke machen, um die Menschen im Notfall zu informieren.

Alles beim Alten: Scholz-Ampel macht Rückzieher beim Katastrophenschutz

Falls russische Viren und Trojaner die Firewalls der Energieversorger durchbrechen, droht uns also das übliche Vorgehen im deutschen Katastrophenschutz: Zuerst sind die Landkreise und das betroffene Bundesland verantwortlich – einen Blackout müssten dann Laien und Freiwillige bewältigen, und die Bürger selbst. Wie bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. Der Bund bleibt laut Grundgesetz außen vor.

Die Ampel-Koalition wollte dieses Manko in der Zuständigkeit in dieser Legislaturperiode ändern. Zumindest haben das die drei zuständigen Innenexperten von FDP, Grünen und SPD gegenüber FOCUS Online im Dezember noch versprochen. Jetzt allerdings heißt es auf Nachfrage aus dem Bundesinnenministerium, dass eine Gesetzes- oder gar Grundgesetzänderung zur Übertragung des Katastrophenschutzes von Ländern zum Bund aktuell doch nicht geplant sei. Die grüne Innenpolitik-Expertin Irene Mihalic etwa wollte das Bundesamt für Katastrophenschutz damals gar zu einer zentralen Behörde ähnlich dem Bundeskriminalamt ausbauen. Damit wird es jetzt nichts. Ein klarer Wortbruch.

Angesichts der politischen Stillhaltetaktik plädiert Krisenforscher Roselieb für eine Entkoppelung der Katastrophenvorsorge von der Politik – ähnlich wie bei der Bundesbank, denn: „Für Politiker ist es höchst unattraktiv, in Katastrophenvorsorge zu investieren. Sie müssten heute viel Geld ausgeben, das sie woanders nicht verwenden können. Die Katastrophe tritt aber erst Jahre oder Jahrzehnte später ein. Dann ist der Politiker gar nicht mehr im Amt und kann die Früchte seiner Arbeit folglich gar nicht ernten.“

Roselieb rät daher den Bürgern unbedingt an Eigenvorsorge zu denken.

Medizinskandal Alterung

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