Hintergrund des Gutachtens
- Schweine- und Geflügelzüchter sowie die zuständigen Veterinärbehörden fordern humane Verfahren für die Betäubung und Tötung von Tieren in landwirtschaftlichen Betrieben, darunter auch für die Routineschlachtung und Keulung infolge des Ausbruchs von Infektionskrankheiten.
- In diesem Gutachten wird die Betäubung mit Stickstoff-Leichtschaum in Containern (Nitrogen (high) Expansion Foam Stunning in container, im Folgenden „Container-NEFS“) untersucht, ein innovatives Verfahren zur humanen Tötung von Schweinen und Geflügel durch die Schaffung einer sauerstoffarmen Umgebung.
- Derzeit ist die Container-NEFS für die Betäubung und Tötung von Tieren in der EU nicht zulässig. Jedoch enthält die Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates eine Liste zulässiger Betäubungsverfahren und sieht vor, dass diese von der Europäischen Kommission auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten der EFSA aktualisiert werden kann.
- Die EFSA hat bereits in den Jahren 2019 und 2020 die Verwendung von gasgefülltem Schaum zur Tötung von Geflügel bzw. Schweinen geprüft, ohne eine umfassende Risikobewertung durchzuführen.
Worum wurde die EFSA ersucht?
- Auf Antrag eines Privatunternehmens (Antragsteller) ersuchte die Europäische Kommission das Gremium für Tiergesundheit und Tierschutz (AHAW-Gremium) der EFSA um eine wissenschaftliche Bewertung des Einsatzes der Container-NEFS zur Betäubung und Tötung von Schweinen und Geflügel.
- Gemäß Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates musste die EFSA Folgendes bewerten:
- Zulässigkeit: Entspricht das Dossier des Antragstellers, in dem das geänderte Betäubungsverfahren vorgeschlagen wird, den einschlägigen Leitlinien der EFSA?
- Tierschutz: Kann mit diesem Verfahren ein Tierschutzniveau gewährleistet werden, das die Standards der derzeit zulässigen Verfahren erfüllt oder übertrifft? Insbesondere wurde die EFSA gebeten, festzustellen, ob durch das Verfahren sichergestellt ist, dass Schweine und Geflügel bei der Tötung von jedwedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont werden und bis zum Tod wahrnehmungslos bleiben.
Wie ist die EFSA bei ihrer Arbeit vorgegangen?
- Die EFSA bildete eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe und übertrug ihr die folgenden Aufgaben:
- Prüfung der vorgelegten Daten anhand der Kriterien der EFSA-Leitlinien zu den Bewertungskriterien für Anträge auf Zulassung neuer oder modifizierter Betäubungsverfahren im Hinblick auf den Tierschutz zum Zeitpunkt der Tötung (Guidance on the assessment criteria for applications for new or modified stunning methods regarding animal protection at the time of killing, AHAW-Gremium der EFSA, 2018);
- Durchführung einer umfassenden Literaturrecherche;
- Extraktion von Daten für die quantitative Bewertung;
- Durchführung einer qualitativen Untersuchung auf der Grundlage einer informellen Expertenbefragung.
- Das eingereichte Dossier enthielt eine Analyse von zwei veröffentlichten wissenschaftlichen Studien, die bei der Bewertung berücksichtigt wurden. Die EFSA forderte zusätzliche Informationen an, um Einzelheiten der vorgelegten Daten und Informationen über das Betäubungsverfahren zu klären.
- Daraufhin wurden unter anderem Daten über laufende Forschungsarbeiten sowie unveröffentlichte Feldversuchsdaten vorgelegt. Sie beinhalteten jedoch nur grundlegende Zusammenfassungen der Forschungsergebnisse und konnten für die Bewertung nicht herangezogen werden.
Welche Einschränkungen/Unsicherheiten gab es?
- Die unterschiedlichen Verfahren für die Betäubung/Tötung von Tiergruppen bzw. Einzeltieren konnten nur schwer verglichen werden. Es bestand die Möglichkeit, dass die Verfahren zur Betäubung/Tötung von Tiergruppen schlechter bewertet würden, weil die Zahl der zeitgleich von möglichen Gefahren betroffenen Tiere bei diesen Verfahren, bei denen die Tiere allmählich in eine Wahrnehmungslosigkeit versetzt werden, größer ist als bei den Verfahren zur Betäubung/Tötung von Einzeltieren.
- Die Unsicherheitsanalyse der Expertenergebnisse basierte auf einem individuellen Expertenurteil (EFSA, 2014). Die Gesamtbewertung der wissenschaftlichen Unsicherheit erfolgte gemäß den EFSA-Leitlinien zur Unsicherheitsanalyse bei der wissenschaftlichen Bewertung (Guidance on Uncertainty Analysis in Scientific Assessments, Wissenschaftlicher Ausschuss der EFSA, 2018a, b).
- Es bestand Unsicherheit hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Tötungs-/Betäubungsverfahren, die nicht umfassend erforscht waren.
- Anhand der verfügbaren Daten konnten nur Empfehlungen zum Wohlergehen von Legehennen und Masthühnern jedes Alters sowie von Schweinen mit einem Gewicht zwischen 15 kg und 41 kg formuliert werden.
Zu welchen Ergebnissen kam das Gremium?
- Alternative für die Tötung in landwirtschaftlichen Betrieben: Die Container-NEFS stellt beispielsweise bei einem Ausbruch einer Infektionskrankheit eine humane Alternative für die Tötung im landwirtschaftlichen Betrieb dar, nicht aber bei der Schlachtung. Die Container-NEFS ist jedoch nur dann wirksam, wenn ihre ordnungsgemäße Durchführung gewährleistet ist, d. h. wenn die im Gutachten formulierten technischen Bedingungen eingehalten werden, geschultes Personal eingesetzt wird und das Verfahren überwacht wird.
Das AHAW-Gremium gelangte mit einer Sicherheit von > 50-100 % (eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich) [1] zu den folgenden Schlussfolgerungen:
- Das Tierschutzniveau ist vergleichbar mit den bestehenden Verfahren: Bei der Container-NEFS ist das Tierschutzniveau offenbar zumindest ebenso hoch wie bei bestehenden zulässigen Verfahren, wie etwa der Exposition gegenüber Kohlendioxid in hoher Konzentration und Wasserbädern.
- Die Tiere werden von vermeidbarem Stress verschont: Die Container-NEFS verursachte bei den Tieren weder Anzeichen einer Schleimhautreizung, noch führte sie zu Husten oder Atemnot. Das lässt darauf schließen, dass kein Schaum in die oberen Atemwege gelangt, während die Tiere noch wahrnehmungsfähig sind, sodass sie von vermeidbarem Stress verschont werden.
- Humane Betäubung und Tötung: Wird die Container-NEFS korrekt durchgeführt, ist sie offenbar zumindest ebenso wirksam wie die derzeit gesetzlich zulässigen Verfahren, bei denen Gas und Container zum Einsatz kommen, und gewährleistet, dass die Tiere bei der Betäubung und Tötung von vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden verschont werden.
Wie lauten die wichtigsten Empfehlungen?
- Gewährleistung einer angemessenen Schulung des Personals: Das Personal, das mit den Geräten und Tieren umgeht, muss ordnungsgemäß geschult und zertifiziert sein, sodass eine humane Durchführung der Verfahren sichergestellt ist.
- Ordnungsgemäße Einrichtung der Geräte: Die Geräte müssen korrekt eingerichtet und gemäß den Standardarbeitsanweisungen eingesetzt werden.
- Kontrolle der Wasserqualität: Die Wasserqualität sollte kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass das Wasser für die Herstellung von gleichmäßigem Schaum geeignet ist.
- Einsatz automatischer Kontrollsysteme: Vor der Durchführung der Container-NEFS sollten alle wichtigen Einstellungen der Schlüsselparameter durch ein automatisches System kontrolliert werden, um die Sicherheit und Funktionalität des Verfahrens zu gewährleisten.
- Einführung ordnungsgemäßer Verfahren: Die Tiere dürfen erst unmittelbar vor dem Beginn des Verfahrens in den Container verbracht werden. Das Stickstoffgas und die Schaumlösung sollten vor dem Start doppelt geprüft werden. Der Container sollte in weniger als einer Minute mit Schaum gefüllt werden, um mögliche Beeinträchtigungen des Wohlergehens der Tiere zu vermeiden. Der Stickstoffstrahl sollte auf die Seiten des Containers und nicht auf die Tiere gerichtet sein. Die Tiere sollten tot sein, bevor der Container geöffnet wird. Um dies zu gewährleisten, ist ein zuverlässiges Überwachungssystem erforderlich. Der Sauerstoffgehalt sollte während des gesamten Prozesses unter 2 % bleiben. Die Sauerstoffsonden sollten regelmäßig geprüft werden, und das Gassystem sollte bei kaltem Wetter vor Frost geschützt sein.
- Verfügbarkeit alternativer Tötungsverfahren: Wie bei allen Betäubungsverfahren sollte für den Fall, dass das NEFS-System nicht ordnungsgemäß funktioniert, ein anderes geeignetes Tötungsverfahren für Schweine oder Geflügel verfügbar sein.
- Keine Überladung der Container: Der Container darf nicht überladen werden. Alle Tiere sollten ausreichend Platz haben, um sich hinzulegen, sodass der Schaum alle Tiere erreicht und keine Lufttaschen entstehen.
- Durchführung weiterer Forschungsarbeiten: Es sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen und die Ausweitung dieses Verfahrens auf andere Kategorien von Geflügel (z. B. Enten und Tauben) und Schweinen (d. h. mit einem anderen als dem oben genannten Gewicht) zu ermöglichen.