Nach einem misslungenen SEK-Einsatz der Polizei in Essen-Stoppenberg verlangt ein Student (28) Schmerzensgeld von der Ordnungsbehörde. Mit großem Aufgebot hatte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) in den Morgenstunden des 25. Januar die Wohnung des unbescholtenen Bürgers in der Nähe der Zeche Zollverein gestürmt. Die Ermittler hatten sich in der Etage vertan – der Gesuchte wohnt ein Stockwerk tiefer. Als Wiedergutmachung hatte der SEK-Leiter dem Studenten einen Amazon-Gutschein (50 Euro) geschenkt. „Dieses Verhalten ist höchst unanständig“, sagt der Rechtsanwalt des Betroffenen.
Der Student möchte mittlerweile nicht mehr in öffentliche Erscheinung treten: Er sei psychisch und körperlich zu belastet, sagt Rechtsanwalt Jörg Hufer. „Vergleichbaren Verfahren zufolge könnte das Schmerzensgeld in fünfstelliger Höhe liegen, das wäre angemessen“, sagt der Jurist.
Das war passiert: In der Nähe des Tatorts liegt eine Realschule – dort hatte am Morgen des 24. Januar ein Mann mit seiner Partnerin eine Schülerin während der großen Pause über den Schulhofzaun hinweg offenbar mit einer Waffe bedroht. Das Schulmädchen vertraute sich seinen Eltern an, die erstatteten sofort Anzeige wegen Bedrohung. Weil der mutmaßliche Täter bei der Polizei längst lange Akteneinträge hat, fuhr das Kommando am nächsten Morgen mit großem Aufwand vor das Wohnhaus des 39-Jährigen.
SEK brachte den Studenten zu Boden, fesselte den Mann
Die Ermittler brachen die Wohnungstür auf, zündeten einen sogenannten „Irritationskörper“ – der laut knallt – und fanden den vermeintlichen Tatverdächtigen in seinem Bett. Sie fesselten ihn, brachten ihn zu Boden: „Dann ist den Kollegen sehr schnell aufgefallen, dass es sich nicht um die betreffende Zielperson handelt“, berichtet Sonja Kochem, Sprecherin der Polizei Essen. Über das, was dann passierte, gehen die Schilderungen auseinander: „Meinem Mandanten wurden Waffen an die Schläfe gehalten, es war auch Tränengas im Einsatz, mein Mandant konnte noch lange nach dem Einsatz nicht mehr die Augen öffnen“, sagt Anwalt Jörg Hufer. Die Polizei entgegnet: Weder sei dem 28-Jährigen eine Waffe an den Kopf gehalten worden, noch sei Tränengas im Einsatz gewesen. Sanitäter konnten nach Angaben der Polizei keine Verletzungen bei dem 28-Jährigen feststellen.
„Er musste sich mittlerweile in psychologische Behandlung begeben, weil er nicht mehr schlafen kann, total schreckhaft ist und arbeitsunfähig“, sagt Anwalt Hufer. Er selbst sei vor Jahrzehnten ebenfalls Polizist gewesen, will die Arbeit des SEK „nicht kritisieren“, denn Pannen könnten passieren, doch er bemängelt vor allem, was danach passierte: Der Leiter des Kommandos besuchte den Studenten. Im Gepäck: ein offizielles Entschuldigungsschreiben der Behörde, die schriftliche Zusage der Kostenbegleichung für nötige Reparaturarbeiten – und, aus eigener Tasche bezahlt, ein 50-Euro-Gutschein des Internetversandhandels Amazon. „Diesen Gutschein hat er privat finanziert als Geste der Wiedergutmachung“, sagt Polizeisprecherin Sonja Kochem. Anwalt Hufer hält diesen Versuch der Entschädigung für „unter aller Kanone.“
Offizielles Entschuldigungsschreiben des SEK plus Kostenbegleichung
Der eigentliche Tatverdächtige wurde übrigens beim gleichen Einsatz erwischt, kam aber schnell wieder frei, weil – so die Polizei – in der Wohnung des Verdächtigen keinerlei Beweismittel gefunden werden konnten.