Die Allgemeinverfügung über Maskenpflicht im Stadtkreis Ulm vom 23.1. ähnelt stark derjenigen von Ostfildern, die für Furore gesorgt hat. Sie ist unterschrieben von Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU). Es sind also nicht nur SPD-Politiker in Bund und Ländle, denen die roten Linien abhanden gekommen sind. Damit soll der Polizei einfache Handhabe gegeben werden, die üblicherweise Montags und Freitags stattfindenden organisierten Spaziergänge zu unterbinden.
Die schikanöse Verpflichtung zum Tragen einer besonders dichten, und damit das Atmen stärker behindernden FFP2-Maske im Freien, wird kaum verhohlen damit begründet, dass Spaziergänger mit ihrem oft starken Unwillen gegen Masken diese nicht aufsetzen würden und dadurch für die Polizei leicht als Störer erkennbar seien. Im Originalton:
Die Teilnehmer dieser „Spaziergänge“ bewegen sich vorsätzlich und unkontrolliert, in der Regel ohne Abstände und Maske, in den starkfrequentierten Innenstadtbereichen wie z. B. der Fußgängerzone in der Hirschsstraße und im Bereich des Ulmer Münsters und gefährden Dritte, die sich dieser Situation nicht entziehen konnten.
Durch die Anordnung einer Maskenpflicht werden die Teilnehmer der „Spaziergänge“ verpflichtet, Masken zu tragen. Die Stadt Ulm geht davon aus, dass sich die Teilnehmer zur Vermeidung von Repressionen (Anzeige, Bußgeld etc.) auch daran halten werden. Die Maskenpflicht dient auch dem Zweck einer effektiven Gefahrenabwehr. Die derzeit gültigen Regelungen zu einer Maskenpflicht, insbesondere § 3 CoronaVO, reichen ersichtlich nicht aus, die Teilnehmer der „Spaziergänge“ zum Tragen von Masken anzuhalten.
Die Maskenpflicht versetzt die Polizeikräfte in die Lage, auf Anhieb Verstöße festzustellen und die Betroffenen konsequent anzuzeigen. Schutzbehauptungen der Teilnehmer während der Versammlung und im späteren Bußgeldverfahren, beispielsweise der Mindestabstand sei nicht unterschritten gewesen, womöglich unter Benennung anderer Teilnehmer als vermeintliche Zeugen, werden mit der Maßnahme unterbunden. Auch mit Einwendungen dergestalt, man habe gar nicht an dem „Spaziergang“ teilgenommen, sondern war zum Einkaufen oder anderer Erledigungen unterwegs und musste sich durch die Menschenmenge schlängeln, sind nicht mehr möglich.“
Die Androhung von Waffengebrauch wird ganz ähnlich begründet wie in Ostfildern. Dort scheint man die Formulierungen aus Ulm übernommen zu haben:
Um sicherzustellen, dass die Maskenpflicht eingehalten wird, droht die Stadt Ulm die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch an. Dies ist nach Abwägung der gegenüberstehenden Interessen verhältnismäßig (§§ 40 LVwVfG, 66 Abs. 1 PolG). Es ist erforderlich, da mildere Mittel, die die potentiellen Versammlungsteilnehmer von der Einhaltung der Maskenpflicht abhalten würden, nicht ersichtlich sind.“
Gehen Sie nicht in Ulm oder Ostfildern spazieren! Wenn Sie es doch tun, maskieren sie sich, um zu zeigen, dass sie die öffentliche Ordnung nicht stören wollen. Alles andere könnte verhältnismäßig lebensgefährlich sein.
Versammlungsauflagen für die ganze Bevölkerung
Die Ulmer Allgemeinverfügung ist nicht nur wegen ihrer bürokratischen Kälte und Rabiatheit bemerkenswert. Spektakulär finde ich auch, dass mit ihr vorsorglich der gesamten Bevölkerung eine Versammlungsauflage gemacht wird, gänzlich unabhängig davon, ob die einzelnen Adressaten eine Versammlungsabsicht haben.
Die Verfügung beruft sich auf §15 des Versammlungsgesetzes, wonach:
Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.“
Sie kommt aber bis zur Begründung gänzlich ohne das Wort Versammlung oder ein Ähnliches aus. Sie regelt vielmehr ganz allgemein, dass in der Innenstadt montags von 17:45 – 20 Uhr und freitags von 18:45 bis 21 Uhr FFP2-Masken zu tragen sind, droht bei Nichtbefolgung mit unmittelbarem Zwang und einem Ordnungsgeld.
Erst in der Begründung wird dann auf die Protest-Spaziergänge, die montags um 18 Uhr und Freitags um 19 Uhr regelmäßig stattfinden, Bezug genommen. Bei diesen würden die Vorschriften der Corona-Verordnung zur Maskenpflicht und Mindestabständen nicht eingehalten.
Es wird also eine Maskenpflicht eingeführt, weil die Maskenpflicht erfahrungsgemäß nicht eingehalten wird.
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