Die dramatische Lage lässt keine jahrelangen Debatte zu: Österreich muss 2022 handeln und der Nato beitreten.
Der Autor: Gunther Fehlinger (*1968 in Linz) ist seit 2016 Präsident der NGO „Europeans for Tax Reform“. Er koordiniert das Österreichische Komitee für die Europäische Ukraine und die Aktionsgruppe für regionale, wirtschaftliche und europäische Integration des südlichen Balkans. Fehlinger tritt für die Erweiterung der EU und Nato in Mittel- und Osteuropa ein.
Österreich ist im Jahr 1995 gemeinsam mit Finnland und Schweden der Europäischen Union beigetreten. 2022 muss der gemeinsame Nato-Beitritt folgen. Verständnis für neutrale Sonderwege in der EU kann es im langen Krieg mit Russland nicht mehr geben. Wir sind entweder in der EU und in der Nato oder eben nicht. Sich auf Inseln wie Zypern, Malta oder Irland auszureden und sich selbst als neutrale Brücke zum Kriegsverbrecher Wladimir Putin zu erklären oder als neutrale Insel in Mitteleuropa, geht als EU-Mitglied im Krieg mit Russland nicht mehr. Wer keine Lust auf Verantwortung als Teil Europas hat, muss eben aus der EU austreten und zur Schweiz werden. Die Eskalation des schon acht Jahre dauernden Kriegs Putins gegen die Ukraine und der bevorstehende Beitritt der nördlichen EU-Neutralen als Reaktion, haben Europa massiv verändert und da reicht eine offene Diskussion nicht.
Nötig wäre jetzt in Österreich ein Beschluss der rationalen, staatstragenden Parteien ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos zur Aufhebung des Neutralitätsgesetzes von 1955 und ein Antrag auf Nato-Mitgliedschaft am Madrid-Gipfel der Nato am 29. Juni 2022. Parallel dazu sollte ein Volksbegehren gestartet werden mit dem Nato-Beitritt als Ziel.
Ähnlich wie in Montenegro und Nordmazedonien muss eine Volksabstimmung verhindert werden, da sich in der Bevölkerung durch Jahrzehnte des von Russland geförderten Mythos der Neutralität sicher keine Mehrheit pro Nato finden wird. Die Wahl zum Bundespräsident 2022 würde eine Volksabstimmung ersetzen. Van der Bellen, unterstützt von vier Parteien, müsste dann für den Nato-Beitritt Österreichs einstehen und sich gegen einen FPÖ-Kandidaten, der dagegen ist, behaupten.
Dramatische Lage
Sicher wäre das ein sehr großer Schritt für Van der Bellen – und für alle vier Parteien, von denen sich aktuell bedauerlicherweise noch keine einzige zum Nato-Beitritt bekennt. Die dramatische Lage in der Ukraine lässt aber keine andere Option zu. Welche der vier Parteien will wirklich eine jahrelange Nato-Debatte? Es ist besser, das jetzt gemeinsam gegen den Widerstand der Bevölkerung und der FPÖ durchzustehen als zum isolierten Paria innerhalb der EU zu werden.
Das Thema wird nicht verschwinden. Krieg gibt es schon seit 2014 und er wird noch lange andauern. Der Fall Putins wird dann den Krieg in der Ukraine eventuell beenden, aber mit aller Wahrscheinlichkeit im Bürgerkrieg in Russland enden. Die Illusion von Sicherheit und Stabilität östlich der EU und der Nato ist reines Wunschdenken.
Vollmitglied in der freien Welt
Die Bevölkerung in Österreich wird mit der Zeit verstehen, dass wir als Teil Europas auch Verantwortung als Teil der Transatlantischen Verteidigungsgemeinschaft übernehmen müssen und so Vollmitglied in der freien Welt werden. Österreich wurde zwischen 15. Mai und 26. Oktober 1955 nur frei von Sowjetischen Truppen. Der Einfluss der Sowjetunion blieb durch die angriffsbereiten Panzerdivision in Ungarn und der Tschechoslowakei und durch das machtbewusste Auftreten der Reisnerstraße bis heute.
Österreich konnte erst nach dem Fall der Sowjetunion der EU beitreten. Nun, im Krieg Russlands gegen die Ukraine, ist der Moment gekommen, in dem Finnland und Schweden die Westintegration vollenden und auch Österreich zeigen muss, dass es Teil des Westens ist. Nur dann wird Österreich wirklich frei sein.