Vor Berufsblindheit ist niemand sicher. Und bevor Sie jetzt die Nase rümpfen und sagen, warum schimpft der Reitschuster auf seine Kollegen, muss ich ganz explizit sagen: Ich meine in diesem Fall mich selbst. Auch mich selbst – aber zumindest nicht nur. Vorgestern habe ich hier einen Artikel unter der Überschrift „Der (Impf-)Fall Kimmich: Jetzt schaltet sich auch noch die Bundesregierung ein“ veröffentlicht. Und dabei auch die gesamte Aussage der Bundesregierung zu der Causa dokumentiert. Unten, im Kleingedruckten. Weil ich versuchte, mich bei den langen Aussagen auf das Wichtigste zu konzentrieren – was angesichts längerer Phrasen und Worthülsen gar nicht so einfach ist. Und ich muss ganz offen sagen: Es ist mir diesmal gründlich misslungen. Wie ich heute feststellte, als ich mein Video über die Bundespressekonferenz schnitt. Da traute ich auf einmal meinen Ohren nicht.
Aber der Reihe nach. Andreas Hoenig von der dpa, dem Leitmedium in Deutschland, für das ich früher ebenfalls gearbeitet habe, fragte den Sprecher von Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Oliver Ewald: „Herr Seibert hat gerade noch einmal betont, Impfung sei der beste Schutz. Jetzt hat für große Schlagzeilen gesorgt, dass Nationalspieler Kimmich sich noch nicht hat impfen lassen und das damit begründet hat, dass Langzeitstudien fehlen. Was sagen Sie zu diesem Punkt, dass Langzeitstudien fehlen?“
Ewald weicht zunächst sehr wortreich aus. Doch dann, als offenbar niemand mehr (auch ich) so richtig mithört oder -liest, sagt er einen entscheidenden Satz – der Kimmich vollumfänglich Recht gibt: „Insofern ist die Frage der Nebenwirkungen bzw. der Langzeitwirkungen eher unter dem Aspekt zu sehen, dass besondere Aspekte hier noch erforscht werden müssen“ (Den gesamten Kontext sehen Sie unten im Wortprotokoll).
Das ist nichts anderes als das, was Kimmich zu bedenken gibt. Und wofür er jetzt an den Pranger gestellt wird – auch von der Regierung.
Die sich damit selbst entlarvt hat. Und nicht nur in meinen Augen. Eben, weil ich mich ja selbst bei der Berufsblindheit ertappte, stellte ich meinem Team extra die Frage: Urteile ich da zu streng? Die einhellige Meinung: Nein, die Regierung hat sich hier wirklich die Blöße gegeben.
Und sie kann nur dankbar sein, dass sie offenbar selbst kritische Journalisten wie mich offensichtlich zumindest schon teilsediert hat.
Aber wetten, dass auch nach meinem Beitrag hier dieses Eingeständnis des Gesundheitsministeriums, diese faktische Ehrenrettung für Kimmich, im besten Fall nach den Stürmen der Entrüstung nur ein leises Rascheln im Blätterwald hervorrufen wird? Und wahrscheinlich nicht einmal das?
Dabei wäre es eine Frage des journalistischen Anstands, nach all dem Austeilen gegen den Bayern-Star auch diese Entlastung für ihn prominent zu vermelden.
Unten finden Sie nochmals die gesamte Passage im Wortlaut. Und sehen Sie hier mein Video von der Bundespressekonferenz, in der neben dieser Stelle viele andere thematisiert und kommentiert werden (wie immer nicht auf der Zensurplattform von Google, Youtube, sondern im freien Internet bei Rumble und Odysse:
PS: Zahlreiche Leser empören sich in Zuschriften, dass die Bundesregierung sich in Sachen Kimmich so laut äußere, während sie bei der Kinderporno-Affäre um Nationalspieler Metzelder schwieg.
Die Bundespressekonferenz sehen Sie in voller Länge hier: