Banker und Diplomaten bemühten sich um ein Plätzchen im Apartheid-Land, zeigen bisher unbekannte Dokumente.
Südafrika – dieses Land sei vielen als verheissungsvoll erschienen, als ein Land «des guten Wetters, der Berge, des Weins, des Golds und einer soliden, christlich geprägten Nation».
Das schreibt Hennie van Vuuren im Buch «Apartheid, Guns and Money». Der 600-Seiten-Wälzer ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit, bei der Van Vuuren von Rechercheuren, Anwälten und Aktivisten unterstützt wurde. Der südafrikanische Journalist untersuchte die Verflechtungen westlicher Banker und Politiker mit dem Apartheid-Regime, das zwischen 1948 und 1994 existierte, die Gesellschaft in Rassen spaltete und sich einen brutalen Geheimdienst hielt. Van Vuuren zeigt, dass dieses Südafrika hiesigen Firmen und Behörden als kommode Alternativ-Schweiz erschien, als ein geeignetes Exil, falls es in Europa zur Apokalypse gekommen wäre: Einfall der Russen, Atomschläge, usw.
Hennie van Vuuren stützt sich auf Dokumente aus dem Schweizerischen Bundesarchiv. Konkret geht es um ein Memorandum von 1960 und Briefe von Schweizer Diplomaten. Eine Umfrage unter Apartheid-Forscherinnen und -Forschern zeigt, dass diese Dokumente bis jetzt unbekannt waren. «Neu für mich» seien van Vuurens Entdeckungen, sagt auch Peter Hug, der renommierteste Schweizer Apartheid-Experte.
Nach dem Massaker
In einem Schreiben vom Mai 1960 spurt der Schweizer Botschafter bei den Südafrikanern vor. Er fragt, ob es möglich sei, dass Schweizer Firmen und «andere Rechtsgebilde» im Ernstfall ihre Büros nach Südafrika verlegen und dort weiterhin unter Schweizer Gesetz arbeiten könnten. Im Briefwechsel mit dem Eidgenössischen Politischen Departement werden zwar «überstürzende Ereignisse» in Südafrika erwähnt, der Botschafter schreibt aber auch: «An der Entschlossenheit der Regierung, unter allen Umständen für Ruhe und Ordnung und Sicherheit zu sorgen, besteht kein Zweifel.»
Auch sei mit Anstrengungen «zur Erhaltung eines positiven Einvernehmens zwischen den Rassen zu rechnen.» Deshalb, so der Botschafter, sei es gerechtfertigt, die Exil-Option mit den südafrikanischen Behörden weiter zu vertiefen. Der Diplomat schrieb diese Zeilen keine zwei Monate nach dem Massaker von Sharpeville, bei dem Polizisten 69 Schwarze erschossen hatten.
Besonders markant ist der Plan einer «Sitzverlegung» im Fall der UBS. Die Bank betrieb seit 1948 den South African Trust Fund, der die «Goldpipeline» von Pretoria nach Zürich bewirtschaftete. Anfang der 1980er beschloss die Bank, bei einem Kriegsfall in der Schweiz das Management an den Trust, also ins Apartheid-Südafrika, auszulagern. Mit der südafrikanischen Behörde war van Vuuren zufolge ein Codewort vereinbart worden, mit dem die Bank die Verlegung des Sitzes nach Südafrika angeordnet hätte. 1982 schrieb der Chef der südafrikanischen UBS-Abteilung dem Schweizer Botschafter in Pretoria, er hoffe, dass diese Vereinbarung nie in Kraft treten möge.
Als van Vuuren den früheren Finanzminister der Apartheid, Barend du Plessis, auf die Umzugspläne der Schweizer Bank ansprach, reagierte dieser uninformiert, aber begeistert: «Das ist eines der grössten Komplimente, die unserer Regierung je gemacht wurden.» Die UBS will van Vuurens Recherche nicht kommentieren.
Für Hennie van Vuuren ist klar, dass Schweizer Banker, Waffenhändler und Politiker zum langen Leben der Apartheid beigetragen haben. «Die Apartheid hat ihnen die Taschen gefüllt, und bis heute mussten sie für ihre Komplizenschaft nicht geradestehen.» Bei seiner Recherche in der Schweiz machte der Investigativjournalist zwiespältige Erfahrungen. «Die Art, wie die Dokumente reguliert werden, hilft ganz offensichtlich nicht, die Geheimnisse der Banken zu enthüllen.»
Tatsächlich tut sich die offizielle Schweiz schwer mit der Apartheid-Vergangenheit. 2003 liess der Bundesrat Akten sperren, die von der Beziehung der Schweiz zu Südafrika handeln, und verkrüppelte so die Arbeit eines Forschungsprojekts. Mit der Sperrung wollte man die Gefahr von Sammelklagen gegen Schweizer Unternehmen minimieren. Nachdem ein Gericht in den USA Sammelklagen abgewiesen hatte, gab der Bundesrat die Akten 2014 wieder frei. Für Apartheid-Forscher weit interessanter sind mittlerweile aber ohnehin die Archive der Schweizer Banken, die nach wie vor verschlossen sind.
«Was haben die Schweizer Firmen und Behörden zu verbergen?», fragt Hennie van Vuuren. Die Verweigerungstaktik erinnere ihn frappant an die Geheimnistuerei um die nachrichtenlosen Vermögen des Zweiten Weltkriegs.