Die Verhandlungen in Genf werden zeigen, ob Wladimir Putin sich durch ein Scheitern der Diplomatie freie Hand für Aktionen anderer Art verschaffen will. Über einen Aspekt wird in Deutschland zu wenig gesprochen.
Wenn man einzelne Äußerungen aus Moskau über die nun in Genf beginnenden Gespräche über die von Russland verschärfte Lage an der ukrainischen Grenze zum Nennwert nähme, müsste man sich die Verhandlungen schenken. Es könne, heißt es da, in Genf nämlich auf keinen Fall darum gehen, dass Russland gegenüber den USA oder der NATO irgendwelche Zugeständnisse mache. Dass genau das der Sinn jeglicher Verhandlungen ist, weiß man auch in Moskau. Und deshalb ist es gut, dass die Gespräche nun beginnen.
Je weniger Inhalte von Montag an in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden, desto besser. Umso mehr wird man deshalb auf russische und russisch beeinflusste Medien zu achten haben. Je schriller die dort intonierte Begleitmusik ausfällt, desto näher liegt der Verdacht, dass es dem Kreml in Genf vor allem darauf ankommt, sich durch ein Scheitern des diplomatischen Ansatzes freie Hand für Aktionen anderer Art zu verschaffen.
Falsches Signal
Für Wladimir Putin sind die Staaten Ost- und Mitteleuropas Gebilde mit eingeschränkter Souveränität, über deren Schicksal er befinden will: Wenn es geht, gemeinsam mit den Amerikanern, aber zur Not wäre Putin auch bereit, allein zu bestimmen, wer was dürfen darf. Über diesen Aspekt wird im Westen und zumal in Deutschland zu wenig gesprochen. Hierzulande ergehen sich viele eher in der Sorge, dem armen russischen Präsidenten bloß nicht zu viel zuzumuten. Das ist ein falsches Signal. Man stelle sich den berechtigten Aufschrei vor, wenn die Amerikaner vor Beginn der Gespräche mitgeteilt hätten, es könne auf keinen Fall darum gehen, in Genf Zugeständnisse zu machen.
In der Nachrüstungsdebatte vor 40 Jahren glaubte die sowjetische Führung, der Westen werde die Stationierung eigener Waffen gegen eine skeptische Öffentlichkeit nicht durchsetzen können. Leonid Breschnew und seine Nachfolger haben sich getäuscht. Der Westen sollte Putin vor einem ähnlichen Irrtum bewahren. Einigkeit sichert Frieden.