Der Cum-Ex-Skandal lässt Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) nicht los.
Gerhard Strate (71), renommierter Hamburger Strafverteidiger, hat Scholz und Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (56, SPD) angezeigt: „wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie – im Falle des Herrn Scholz – wegen falscher uneidlicher Aussage“.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg bestätigte den Eingang der Anzeige.
▶︎ Im Cum-Ex-Skandal geht es unter anderem um Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro, auf die das Hamburger Finanzamt 2016 anfangs verzichtet hatte. Strate zu BILD: „Die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung lag so klar auf der Hand, dass die Hamburger Finanzbehörde sich eigentlich schämen müsste.“
Der Rechtsanwalt will Aufmerksamkeit auf den Fall lenken, der in Scholz’ Zeit als Hamburgs Bürgermeister fällt und Tschentscher Finanzsenator der Hansestadt war. Und er will klären, ob die beiden Sozialdemokraten sich in der Affäre strafbar gemacht haben. Es gab bereits Anzeigen – alle wirkungslos. Doch Strate sagt: „Ich bin sicher, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen muss.“
Derzeit versucht ein Untersuchungsausschuss des Hamburger Landesparlaments zu klären, ob es politische Einflussnahme auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank gab, die in den Skandal verwickelt ist. Für den Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker (49), der als Obmann der CDU im Ausschuss sitzt, ist klar: „Wir haben einen unglaubwürdigen Bundeskanzler.“
Auch Strate kritisiert Scholz. In seinem Schreiben, adressiert an Hamburgs Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich (61), geht der Strafverteidiger auf die bisherigen Äußerungen des Kanzlers zum Fall ein, schreibt: „Eine völlige Erinnerungslosigkeit – wie sie Olaf Scholz für sich in Anspruch nimmt –, ist eine Erscheinung, die in der Aussage- und Gedächtnispsychologie nur im Rahmen einer sog. Posttraumatischen Belastungsstörung gelegentlich diagnostiziert wird. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.“
Außerdem führt Strate aus, dass die Hamburger Finanzverwaltung 2016 aufgrund bereits vorliegender Erkenntnisse über Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank nicht hätte auf eine Rückforderung von zu Unrecht erstatteter Kapitalertragsteuern verzichten dürfen. Der – mit Billigung des damaligen Finanzsenators Tschentscher vorgenommene Verzicht – „war nicht etwa eine knallharte Rechtsentscheidung, sondern ein Willkürakt – strafrechtlich als Beihilfe zur Steuerhinterziehung (…) zu bewerten“, schreibt der 71-Jährige.
Hintergrund: Das Finanzamt hatte 2016 mit Ablauf der Verjährungsfrist zunächst auf Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet. Eine zweite Rückforderung in Höhe von 43 Millionen Euro war ein Jahr später kurz vor Eintritt der Verjährung erst auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums – und gegen den erklärten Willen der Hamburger Behörden – erhoben worden.
Strates Fazit: „Olaf Scholz ist gut beraten, dass er sich schon am Tag nach der Einreichung der Anzeige einen Verteidiger genommen hat.“
Ob der Fall wirklich vor Gericht verhandelt wird, ist noch nicht absehbar.